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402 aus sein Herz, und er benutzte den günstigen Umstand, daß er ihr Tischnachbar war, dazu, sich ihr zu nähern. Das Englische war ihm geläufig genug, um Miß Fanny in ihrer Landessprache zu unterhalten, und dieser Umstand bewirkte nicht allein, daß sie sich gegen seitig näherten, sondern wurde auch die Ursache, daß sie sich übrigens von dem großen Haufen absonderten. Umgeben von Deutschen, die sie nicht verstand, fand Miß Morpeth ein wahres Vergnügen därin, daß sic ihre Mutte, spräche sprechen konnte. Es machte ihr Freude, Eduard's Aussprache zu verbessern; sie er götzte sich an seinen französischen Wendungen und gab ihm weitläufige Erklärungen, die er förmlich zu ver gessen suchen mußte, um nur vermöge seiner Unwissen heit immer wieder neue Auseinandersetzungen nöthig zu machen. Ganz und gar in ihren Unterricht vertieft, ließ Fanny ihren Geist ohne Schleier sehen. Ihr zu fälliges Uebergewicht übcrhob sie jeder Bescheidenheit; sie wollte ganz gewissenhaft den Lehrer spielen, vergaß aber dabei die jungfräuliche Zurückhaltung und zeigte sich vor Launay in der ganzen Kraft und Anmulh ihres Wissens. Diese Lectionen wurden sehr oft französisch crlheilt und erhielten dadurch einen unwiderstehlichen Reiz. Es liegt auch wirklich in der ungewohnten Aussprache, die eine schöne Ausländerin einer fremden Sprache giebt, in dem zweifelnden und fragenden Tone einer schwan kenden Stimme, in dem gewissermaßen fortwährenden Gebet einer ungeläusigen Zunge, eine unbeschreibliche kindliche Anmuth. Die unerwarteten Stellungen, welche sie ihren Gedanken giebt, die allerliebsten Fehler, welche ihren süßlöncnden Lippen entschlüpfen, haben zugleich etwas Neues und Acngstliches, wodurch man thcils ge rührt, theils zu einem Lächeln gereizt wird. Gefesselt durch diesen eignen Reiz, verließ Launay Miß Mor- pelh gar nicht mehr, und um seinen ausdauernden Fleiß zu beschönigen, schlug er ihr vor, die vorzüg lichsten französischen Dichter zu lesen und dann mit ihr die ihr ausstotzenden Sprachschwierigkciten zu be sprechen. Allein diesi. Erklärungen blieben nicht lange beschränkt. Von der Form zum r diesech zu seinen Erläuterungen m die b^en jungen Leute sehr t jener schrEvnerischen, dclicaten >iung in der Einsamkeit und unter vier Augen so gefährlich ist. Ohne es gewahr zu wer den, gingen Eduard und Fanny von den allge meinen Begriffen zur specicllen Anwendung über, sie verließen den Roman und traten schnurstracks in's Leben ein. Ein Monat war dazu völlig hinreichend gewesen, und als M. Bur ns ankam, hatten sie sich bereits mit klaren Worlcn ihre Liebe gestanden. Seine Gegenwart trübte dieses stille G.ück. Miß Morbeth hatte ihn Launay als einen Freund ihrer Familie angckündigt, den sie gleich einem Valcr liebe und achte, ohne jedoch über die nähern Beziehungen, in welchen sie zu ihm stände, sich deutlicher zu erklären. Eduard sah nicht ohne ein gewisses Mißvergnügen, wozu sich noch Eifersucht gesellte, wie der neue An kömmling über Miß Fanny eine Art von Herrschaft ausübte, und wie sie gegen einander sich zärtlich be wiesen. Dem zuvorkommenden Wesen von M. Bur nt das sich übrigens auf eine kalte und inquisitorische Wurde beschrankte, worüber er sich ärgerte, entsprach er nur in geringem Grade. Seitdem er in andere Um stände gekommen war, sprach er nur mit dem größten Widerwillen über seine frühere Lage, und die unbe deutendste Nachforschung in Bezug auf seine Person oder sein Leben brachte ihn auf. Oft mitten in der lebhaftesten Untcrha.lung verschwand seine Heiterkeit durch Anfuhrung einer Thatsachc, durch ein beiläufig hingeworfenes Wort; überhaupt müßte jeder aufmerk same Beobachter -deutlich merken, daß es in diesem Gemüthe verhängnißvollc Saiten gäbe, die, wenn sic nur zufällig leise berührt wurden, eine schmerzliche Er schütterung im Innern bewirkten. Natürlich brauchte er auf einige von M. Bur ns mittelbar an ihn gerichtete Fragen nur etwas grob zu antworten, um diesem die Lust zu ihrer Wiederholung zu benehmen. Der Engländer richtete in der Thal von diesem Augenbücke an keine Frage mehr an ihn; aber wahrscheinlich bewirkte er durch den Einfluß, wel chen er insgeheim über Miß Morpeth ausübte, daß auch diese seitdem nicht mehr so unbefangen und zärtlich war, Eduard, unruhig darüber, wollte mit der Miß darüber in's Reine kommen, erhielt aber als Antwort blos abgerissene Worte und Thrancn. So standen die Sachen, als der junge Mann mit M. Burns die oben erwähnte Unterredung hatte. lFortsetzung