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435 !t ihres Kindes sich beugen sah. Sie hatte die sisinnige Frau hinwegstoßcn mögen von dem cnt- hten Heiliglhume, und in diesem Augenblick gelobte das junge Mädchen, der Verführerin, die das Weib gefallsüchtige Eitelkeit zu tausend Thorhciten und Verletzung ihrer heiligsten Pflichten hinzurcißen vcr- g, zu entfliehen und auf ewig jenen gefährlichen umphen zu entsagen, die gleich der verbotenen Frucht zu süß sind, um, einmal gekostet, nicht ein Ber gen nach übermäßigem Genuß zu erregen. Immer h hatte Anna bisher sich mit der Hoffnung ge- neichelt, daß es ja unmöglich sei, wie eine Mutter, hrend ihr krankes Kind ihre Pflege in Anspruch ane und ihr Denken und Empfinden ja ausschließ- beschäfligen muffe, gleichmüthig ihre Arie solle ;en und sie selbst Sinn haben könne für die oft h so faden Lobeserhebungen, nach denen sie gleich- hl mit der Nimmersatten Gier eines blutlechzcnden !gers nach seiner Beute zu Haschen schien. „Es ist nöglich, sie wird, sie kann Heute nicht singen, sie d bestimmt nicht gehen," halte sie so eben noch en ihren Onkel behauptet und nun stand sie vor , geschmückt wie eine Priesterin für den Altar weib- er Tlwrhcit. Die Jungfrau crröthete in der Seele gefallsüchtigen Frau; was sie sah, überstieg ihre griffe von Gefühllosigkeit. — Natalie mochte ohne Zweifel in den Zügen ihres tten und ihrer Nichte das Verdammungsurlhcil ihres uns lesen, denn mit einer leisen und verlegen her gestammelten Frage des Inhalts, ob er wünsche, i sie bleiben solle — wandte sie sich an Balsau, jedoch, während sie sprach, den zweiten Handschuh und warf den Shwal über ihre Schultern. „Thu', was Du nicht lassen kannst und was Dir ' dem Richterstuhl des Gefühls gerechtfertigt erscheint," oiderte der Rath kalt. — „Ich würde das Kind um keinen Preis verlassen;" lärtc die Dame mit niedergeschlagenen Augen, „wenn die Kleine nicht so gut versorgt wüßte und wenn ht die Nothwendigkeit vorhanden wäre, auf eine lunde wenigstens — " „Schon gut!" siel Balsau der falschen Frau in : Rede, „thu' mir wenigstens den Gefallen und che Dich nicht zu entschuldigen, Natalie, denn ich nn Dir nicht beschreiben, wie unaussprechlich es mich rerzt, daß Du die Nothwendigkeit, es zu thun, ein Wort an Dich, Anna, thu' mir die Liebe und begleite meine Frau." „Unmöglich, Oheim!" erwiderte diese; „ich bin in einer fürchterlichen Stimmung und könnte um eine Welt heut — wie niemals öffentlich auftreten." „Thu' es mir zu Liebe!" bat Nataliens Gatte wiederholt, „denke, daß Du mir durch dieß Opfer für Alles lohnen könntest, was Du mir danken zu müssen glaubst." „Aber die Thränen würden mir in die Augen tre ten, wenn ich das summende Gewühl um mich her sähe und vielleicht denken müßte — o mein Gott! mein Onkel, verlangen Sie nicht das Unmögliche von mir." „Die Zeit drängt!" rief die Räthin ungeduldig dazwischen, „ich will wenigstens vorausfahren und den Wagen dann wieder zurücksenden, denn die Ou vertüre muß schon vorüber sein." „Fühlst Du denn nicht," nahm Balsau, ohne auf die Rede seiner Gattin zu achten, gegen Anna gewendet, wieder das Wort, „wie viel mir daran ge legen sein muß, daß die zungenfertige Welt nicht sagen kann: die Nichte der Räthin Balsau ist am Kranken bett ihrer kleinen Cousine zurückgeblieben, während die Mutter des Kindes im Concert gesungen hat. — Willst Du mir und meiner Familie, deren Glied Du ja auch bist, nicht diese schwere Kränkung ersparen?" Natalie erblich. — Die Ueberzeugung, daß daS Opfer, welches sie dem Götzen der Eitelkeit" zu bringen im Begriff stand, weder vor dem Richterstuhl des Ge fühls, noch vor dem ernstem cher Vernunft gebilligt und gerechtfertigt werden könne, mochte die lhörichte Frau in diesem Augenblick überkommen., „Mein Gott!" rief sie im weinerlichen Ton, „ich wollte ja gern bleiben, wenn nur Anna sich hätte belegen lassen, hinzufahrcn, und ich habe nichts behauptet, als, daß wir Beide unmöglich ganz wegbleiben könnten. Nun ist es freilich schon zu spät," fügte sie plötzlich wieder mit der vorigewWuth von ihrem Dämon erfaßt, leiser und verlegener als vorhin hinzu, „und A-rna ,'st ,'n ihrer Toilette noch so weit zurück — ich muß also wohl — " „Ja, thu' mir den Gefallen und geh'!" sprach Balsau nun im Tone des empörtesten Gefühls, „geh' endlich, damit es nur ruhig hier im Zimmer wird und Du wenigstens Dein Kind nicht störst. Vergiß aber nicht den Wagen für unser.-- Anna zurückzuschicken —;>-^end eine Nothlüge als Grund ihrer Verspätigung