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höher bis an seinen Hals hinauf, so daß nur der Kopf sichtbar blieb. — Schon leuchtete der Brand in ihrer Hand. Da ritten der Herzog Ludwig von Baiern und der Graf von Oppenheim, welche die Seclenstärke des Mannes bewunderten und die sein Schicksal rührte, in den Kreis und beschworen ihn noch einmal, seine Jrrthümcr abzulegcn. Huß aber rief mit lauter Stimme aus dem Holzhaufcn: „Ich schwöre zn Gott, daß ich das, wessen mich falsche Zeugen beschuldigt, nie gelehrt habe. Die Wahrheit aber, so ich gelehrt, will ich mit meinem Tode besiegeln." Die Herren schlugen verwundert die Hände zu sammen und ritten von dannen. Die Henker zündeten jetzt den Scheiterhaufen an; rasch schlug die Lohe empor. Huß sang durch den Qualm hindurch mit lau ter Stimme: „Christe, Du Sohn 'Gottes er barme Dich mein! Christe, Du Sohn Got tes von einer reinen Jungfrau geboren!" — er wollte hinzusctzen: „Erbarme Dich mein!" aber die Lohe schlug ihm in's Gesicht. Der Rauch erstickte seine Sprache, er ließ das Haupt sinken und athmete aus. Eine schneeweiße Taube flog unter dem tiefblauen Himmel in weiten Kreisen um den Richt platz. Es war so ruhig, daß man ihren Flügelschlag hörte. Nach und nach entfernte sich das Volk. Wie nun die Flamme verloschen, der Leichnam aber nur halb verbrannt am Pfahle hing, stießen ihn die Henker mit Stangen herab, zerschlugen die Ge beine, namentlich zerschmetterten sie den Schädel mit Beilhieben, warfen noch mehr Holz und Reißig darauf, um Alles desto schneller zu verbrennen. Als sie das Herz noch fast unversehrt fanden, spießten sie es an eine Stange und brannten es zu Asche. — Da der Herzog Ludwig erfuhr, daß die Henkers knechte, wic's ihnen zukam, im Besitze von Hussens Mantel, Gürtel und den übrigen Kleidungsstücken wären, befahl er auch diese zu verbrennen; denn er befürchtete, die Böhmen würden sic erkaufen und als Reliquien nach ihrem Vaterlande bringen. Die Hen ker weigerten sich dessen; da ihnen der Herzog aber einige Geldstücke gab, warfen sie auch die Kleider in's Feuer. Nachdem Alles verbrannt war, sammelten sie die Asche, gruben auch die Erde, ringsum einige Fuß weit auf, luden Alles auf Karren und warfen cs in den 'beim — Und so wurden jene Worte erfüllt, die Huß in der denkwürdigen Nacht sprach, als er von Hiero nymus Abschied nahm: „Weißt Du, Hieronymus, wo ich begraben sein möchte? In der blauen Fluth: so ein Theil mit ihr zu sein, die Erde mit zu um fließen; all' Ueberall im Weltmeer rings; o das ist schöner wohl» als im feuchten Erdcnmoder zu liegen, noch aufgestört von künftigen Geschlechtern! Die Seele aber kehre zu Gott!" — Nur wenige Böhmen wohnten der schmachvollen Hinrichtung bei, die zugleich ihre ganze Nation schmähte und der Grund zu ihrer spätem Empörung war; sie unterdrückten den gewaltigen Schmerz, um Zeugen des Todes ihres Glaubensheldcn im Vaterlande zu sein. Sie sammelten von der Erde, auf welcher er vollendet, und sandten sie nach Böhmen, wo man sie als Heilig thum verwahrte. Enttäuschung. Novellistische Skizze von Ida F r i ck. (Fortsetzung.) Keine Antwort Seiten des Rathcs erfolgte. Bal- sau hatte sich über die schlummernde Eugcnie ge beugt und lauschte auf die unregelmäßigen Athemzüge des sicbcrkrankcn Kindes. „Ich will jetzt essen," erklärte endlich die leicht sinnige Mutter, „dann bleibe ich noch'einige Stun den hier, vielleicht bessert es sich gegen Abend mit du Kleinen." D Ein tiefer Seufzer rang sich aus Balsau's Brust empor, als seine Gattin die Thür hinter sich geschlossen, und eine Thräne fiel auf die seidene Decke des armen Geschöpfes, das, obgleich seine Mutter nicht todt, den noch eine mutterlose Waise war. Nach Verlauf etwa einer Stunde kehrte die Räthin in Begleitung Anna's zrtz ihrem Galten und ihrer Tochter zurück. Die kleine Eugcnie war während dem erwacht, sie weinte und verlangte aus dem Bett. Anna und die Mutter tra ten zu ihr und suchten sie zu beruhigen; das Kind stieß die Mutter unwillig bei Seite und schlang sein Acrmchcn umAnna's Nacken, verstimmt zogNatalie sich in ein Fenster zurück,">d Balsau wandte sich ab.