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39 Die Spekulanten. Launige Erzählung von Ferdinand Stolle. (Fortsetzung.) Der Brenner machte ein nachdenklich unentschlosse nes Gesicht. „Was," fuhr der Lachshändler in steigender Angst fort, „Brenner, was fügt Euch an, bedenkt, daß mich's auf einen halben Gulden nicht ankommt, wenn wir Seine Ercellcnz auf die Straße rammen." Der Brenner ließ sich endlich vom schnöden Silber verlocken, besiegte seine Zweifel und Aversion gegen den Wurmdoctor und rannte mit an. Das half Alles nichts. Man wiederholte das Experiment; mehre der Hausgenossen erhielten Courage und schlossen sich dem heiligen Kriege mit an; denn die Mehrzahl glaubte, es ginge gegen den Teufel. So gelang endlich der vereinten Macht der Durchbruch. Unter allgemeinem Hurrah floh der Pfropf, der Wurmdoctor nämlich, auf die Straße und kollerte eine große Strecke entlang, große Verheerung unter der versammelten jugendlichen Gassenbevölkerung zurücklas send. Ein Zetcrmordio entstand. Mehre naseweise Hammelshaincr Schulrangen waren übcrkollert und in den Grund grbobrt worden und schrieen aus Leibeskräf ten. Der Lachshändler und der Brenner nebst den unmittelbaren. Hintersassen, welche den Kreuzzug mit gemacht hatten, lagen gleichfalls am Boden. Der Salz-Calculator schaute eine Treppe hoch gemächlich in den Tumult. Er behauptete spater gegen Lampen, der ganze Eclat hätte können vermieden werden. Er hätte den Wurmdoctor nur mit seiner Tinctur zu über- streichcn brauchen, dann wäre er zur Salzsäule gewor den und man hätte ihn können auflecken. Nachdem die Katastrophe vorüber und Jedermann, der Wurmdoctor nicht ausgenommen, wieder auf seinen Füßen stand, hielt letztrer unter dem Jubel der zahl reichen Gassenbevölkcrung seinen majestätischen Einzug durch das Hofthor und bald saß er verschnaufend im wohlvcrriegclten Gemache an Lampe's Seite, während der Salz-Calculator der Lampin stark den Hof machte. Unterdcß war die Kunde von den Verheerungen, welche der siamesische Hof- und Magendoctor Grimbart unter der wohllöblichcn Schuljugend angerichtet hatte, zu den Patribus conscriplA welche noch im Pleno auf dem Nathhause im tiefen Nachdenken versunken faßen, gelangt. „Meine Herren," begann der Bürgermeister, „die Gestaltung der Dinge nimmt einen immer bedenklichem Charakter an. Man führe die zwei übcrkollerten Jun gen vor." Hiob winkte und der Leineweber Probst und der Kammmacher Balthascr traten, jeder seinen Erstge bornen an der Hand, in's Zimmer. Die Jungen heul ten und schrieen über alle Maßen, daß die gcsammte hohe Versammlung eines gerechten Schauers sich nicht erwehren konnte. „So heule doch, Du Galgenstrick," raunte der Kammmacher seinen Sprößling in's Ohr, „oder ich schlage Dir zu Hause Arme und Beine entzwei." Der Junge, der auf Befehl des Papa's schon von Lampe's Hause an in Einem fort geschrieen hatte, war nämlich etwas ermüdet und stiller geworden. Auf die väterliche Drohung aber sperrte er den Mund von , Neuem auf und begann dermaßen zu schreien, daß ' sich die gcsammte hohe Versammlung die Ohren zu hielt. „Dem Zetcrmordio meines Fritzen nach," begann der leidtragende Vater, der zugleich als Kläger gegen den Wurmdoctor auftrat, „glaube ich an einen Bruch, das Kind ist schwächlich vom Mutterleibe an, man denke sich die Wucht Seiner Excellenz. Nun, beruhige Dich, mein Söhnchcn." „Die Rippen," fuhr er zu den Patribus con- scriptis gewendet fort, „Hab' ich auch gezählt, cs fehlen mehre." Daß Balthascr den Beklagten Erccllenz titulirt batte, brachte den Bürgermeister und die Versammlung in nicht geringe Verlegenheit. „Wenn es eine diplomatische Person wäre," seufzte der Stadtrichter, „kann nicht gegen dieselbe eingeschrit- tcn werden, sie steht dann unterm Völkerrecht." „Allerdings," gab der Bürgermeister nach tiefem Nachdenken zu, „auf ein paar Rippen mehr oder we niger im Bauche von Balthascrs Fritz könnte cs dann nicht ankommen." „Aber der Bruch," stellte der Kammmacher nicht ohne Bitterkeit vor. > „Was da," entgegnete der Bürgermeister, der kei nen Widerspruch vertragen konnte, gereizt, „ein solcher Bruch ist eher zu verschmerzen, als ein Bruch mit fremden Mächten. Unsre Landmacht befindet sich auf dem Fricdcnsfuße. Wegen des simpeln Jungens da