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420 Als die Worte: „Ich verheiße, schwöre und gelobe Gott rc." gelesen wurden, beugte der heilige Vater seine Knie gegen den Altar, legte die Hände auf die Brust und sprach: „Also gelobe ich, es zu halten!" Hierauf stand der römische Kaiser von seinem Sitze auf, dankte dem Papst in seinem und des Conciliums Namen, legte die Krone vom Haupt, siel auf seine Knie und küßte dem heiligen Vater die Füße. Nachdem dieß geschehen und eine öffentliche Urkunde im Namen des Concils, wie cs der Procurator desselben, Johan nes des Scribanis, verlangte,'ausgcfertigt worden war, stimmten die Sänger der Domkirche das Io Do um luuilamus an und alle Kirchen der Stadt läuteten zur Verherrlichung des großen Aktes. — Doch diese Freude war von keiner langen Dauer. Denn als Johannes sah, daß unter den obwalten den Umständen und bei der Gesinnung der Väter, die ihn verschiedener Lasterthatcn anschuldigten, an eine Wiedergewinnung des päpstlichen Stuhles — selbst wenn Luna und Corraro abdicirten, — nicht zu denken sei, so wollte'er ihn um keinen Preis fahren lassen. Ihm lag daran, unter irgend einem Vorwände den Ort des Concils zu verlassen, das, ohne seine Gegenwart, auseinander siel, das er durch ein In terdikt ohnmächtig, durch den Bannfluch verderbcrisch machen konnte. Noch immer war er ja der von halb Europa anerkannte Papst; Luna und Corraro hat ten nicht entsagt, an diese Bedingung hatte er seine Abdication geknüpft. Darum schlug er den Vätern vor, man möge ihn nach Arragonicn reisen lassen, da mit er dort persönlich und wirksam mit König Ferdi nand und Peter de Luna über die beschlossene Ver einigung verhandle. Die Väter ahnten seine List und verweigerten ihm gemeinschaftlich mit dem Kaiser die Erlaubniß zur Abreise. — Nun gab Johannes vor, die rauhe Luft der Ge gend von Constanz sei seiner Gesundheit schädlich — seine Acrzte bestätigten dieß. Er verlangte deßhalb auf eins der Schlösser Herzog Friedrichs von Oester reich, seines, Freundes, abgchen zu dürfen, bis eine mildere Jahreszeit eintrete. Dem Kaiser schien auch dieß Verlangen verdächtig, weil Johannes gerade mit Friedrich abreisen wollte, der vor das Concil gefordert worden war, um sich wegen seines gegen die Bischöfe von Trient, Chur und Briren verübten Frevels, zu verantworten. Darum wurde auch dieß sein Begehren abgeschlagen und das Concilium ließ ihm am tä. März vermelden, er dürfe '"ich unter kei nem Vorwände vom Sitz der Kirchenversammlung entfernen. Wie die Sachen standen, blieb dem Papste, um die Angelegenheit zu verwirren und dadurch zu gewinnen, kein anderer Ausweg übrig, als die Flucht. Herzog Friedrich reichte ihm dazu hülfreich die Hand. — Er bestellte auf den 20. März ein Turnier, setzte ein reiches Kleinod als Preis aus und lockte dadurch die Bevölkerung-von Constanz außerhalb der Thorc - auf eine Wiese, wo die Schranken zum Waffenspiel abgcstcckt waren. Ein schöner Himmel begünstigte das Fest. Weltlich und Bürgerlich strömte hinaus. In dessen ritt der Papst, blos von einem Knaben zu Pferde, der ihm als Wegweiser diente, begleitet, in der Tracht eines Eilboten des Kaisers (Andere behaupteten: als Baucrfrau verkleidet), ruhig aus der Stsdt. gegen Ermenlingen, wo er sich in dem Hause des Pfar rers mit einem Glase Wein erfrischte und sich übe: den Bodensec nach Schaffhausen übersetzen ließ Schaffhausen war damals eine dem Herzog Friedrich gehörige Stadt. — Als der Herzog auf der Rennbahn durch einen sei ner Vertrauten erfuhr, der Papst sei glücklich entkom men, entfernte er sich heimlich aus dem glanzvollen Gedränge und eilte mit dem Truchseß von Die- senhofen gleichfalls nach Schaffhauscn. Seine und des Papstes Dienerschaft folgte ihnen während der Nacht. — Kaum wurde des Papstes Flucht in Constanz ruch bar, so war die Verwirrung grenzenlos; Sigismund ließ sofort in der Stadt ausrufen: Niemand möge wegen der Entweichung des Papstes bestürzt sein, oder irgend ein Unheil befürchten, er versprach Jedermann Sicherheit, Schutz und Schirm. An den Herzog von Oesterreich wurden sofort Vor- ladungsschrcibcn gesendet, um sich wegen der Entfüh rung des Papstes zu verantworten; als Friedrich aber weder kam noch antwortete, ward er in die Acht erklärt und dann mit Krieg überzogen. Der Papst, um sich zu rechtfertigen, schrieb gleich nach seiner Flucht von Schaffhausen aus nach Costnitz an den Erzbischof von Rheims folgenden Brief, der in der Versammlung der vier Nationen vorgclescn wurde! Er lautet: „Papst Johannes XXIH. Allen und Jedem rc. unfern Gruß und apostolischen Segen zuvor rc." „Durch den Beistand des Allerhöchsten sind wir nun in vollkommner Freiheit, und unser Aufenthalt ist