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403 dicken Eminenz, beeile Dich auch mit der Rückkehr nicht allzusehr." „Herzblatt, grausame Räthselsphinx," rief der Ma ler, „ich willige in Dein Begehr; Du weißt ja, daß ich nicht anders kann, wenn ich auch wollte. Ja, ich hange morgen frühzeitig das Bild am Baume auf, — heute nicht, denn der feuchte Thau würde schädlich cinwirken, — aber nun sage, wcßhalb das sein muß, denn der Böse soll mich augenblicklich holen, wenn ich Deine Absicht, an deren Verständigkeit und Gutheit ich nicht zweifeln darf, auch nur entfernt ahne!" „Bravo,"' lachte Fiorilla; „Eins wäre durch gesetzt und wir schreiten bedächtig zum zweiten Kapitel. Du mußt mir heute noch — ich werde schon diktato risch , denn die Kühnheit wächst mit dem Erfolge — einen Bohrer verschaffen, einen recht scharfen, der ohne viel Geräusch einen nicht allzufesten Körper durchdringt und eine nicht zu große Oeffnung bewirkt. Frägst Du nach dem Zwecke, so antworte ich: cs gilt die Sprengung tauben Gesteins, das sich um einen Juwel gelagert hat. Der Juwel hat auf seinen ehemaligen Glanz verzichtet, auf den Effekt, welchen er im Lichte bewirkte, dringt aber nur ein einziger Lichtstrahl in das Dunkel, so kehrt die Erinnerung zurück und die heil lose Jncrustirung schwindet. Charles erhob sich mit den Gcbcrdcn eines Stau nenden und rief: „nun weiß ich, was Du beab sichtigst! Wsd.ckonnte mir'dicß so lange ein Räthsel bleiben? — Du. willst ein Loch in den Fensterladen bohren, daß morgen mit den eindringenden Lichtstrah len zugleich das Bild oder ein Thcil davon dem Auge des Vaters ersichtlich wird. Der Plan macht Dir alle Ehre, aber ich hoffe keinen günstigen Erfolg. Wülhcnd wird der Finsterling die Oeffnung verstopfen, mein Bild schmähen, das ihm so zudringlich, und auf theatralischen Effekt berechnet, vor die Nase gehangen wird und ich darf mich dem Unglücklichen nie mehr nähern. Und glaubst Du denn, daß er zum eigentlichen Sehen kom men, daß er sich wird überwinden können, auch nur eine Sekunde lang den Blick hinaus zu werfen? Ich glaube es um so weniger, als er dann erst, um die physische Einwirkung des so lange gänzlich'entbehrten Elements zu ertragen, einige Zeit warten müßte, um das Auge an's Licht zu gewöhnen. Dieß läßt seine unglückliche Stimmung nicht zu, und die Oeffnung ist verstopft, ehe er weiß, welche Gegenstände sie zu sehen gestattet." „Fchlgeschossen, Du Muster aller Muthlosen, Ver zagten," cntgegncte Fiorilla. „Es ist ein Jammer, daß Du in ?I>v8ioi8 und ähnlichen Wissenschaften ein gar so großer Idiot bist; diese Dinge würden Dir mehr Vertrauen zu meinem Plane einflößcn. Siehe, ich habe Manches so im Vorbeigehen begriffen, wenn ich aus Langeweile in früherer Zeit in den Heften meines Vaters blätterte oder in seinen physikalischen, chymischen und astronomischen Instrumenten und Appa raten herumkramte, und denke Dir: ich habe sogar selbst Versuche gemacht oder Experimente, wie man es nennt. Am meisten hat mich folgende Spielerei er götzt, die ich in der Kammer der optischen Instrumente erfunden habe. Da oben ist ein Kasten, desseri> Vor derwand aus Pappe besteht. Im hölzernen Deckel ist ein Loch mit einem Schieber und drinnen in dem fin stern Raume liegen wohlvcrpackt verschiedene Gläser, welche nach der Meinung des Vaters im Lichte Sprünge bekommen würden. Ich nahm vor etwa zehn Mona ten an einem Nachmittage, als eben die Sonne recht warm auf den Kasten schien, eines der umherliegenden Brenngläscr in.die Hand, um zu erproben, in welcher Zeit der Brennstrahl eine naßgemachte Stelle der Papp wand zu trocknen vermöchte. Ich war zerstreut bei dem Versuch und ehe ich mich es versah, rauchte die Pappe und ein kleines rundes Loch war hineingebrannt. Ich sah durch die Dcckelöffnung, um zu erkunden, ob die Wand durch und durch,>gebrannt sei, und ich staunte über das, was sich mir darbot.. Denke Dir: das gegenüberliegende Fenster mit den Epheuranken, welche es rings umwuchern, bildete sich aus dek. finstern Hintcrwand des Kastens ab, ganz klein und etwas un deutlich, auch, wie es mir schien, verkehrt, aber das minderte mein Erstaunen keineswegs. Ich verfolgte die Entdeckung. Ich vergrößerte die gebrannte Oeff nung, machte sie regelmäßig, daß nicht die inneren Fa sern das Licht verwirrten und das Lichtbild beeinträch tigten, hing verschiedenene Gegenstände am Fenster auf, um deren Miniaturbild im Kasten zu betrachten und — zerschlug vor Freuden über die neue Entdeck ung zwei große Glascylinder. Das ist der Grund, warum ich dem Vater, der damals noch kein Finster ling war, die wunderbare Sache verschwieg, von der er bis zu diesem Augenblicke noch keine Ahnung hat. Seit vielen, vielen Wochen dachte ich nicht mehr an die Lichtbilder, aber heute erinnerte ich mich ihrer und, wie ich fest glaube, zum Heil und Segen meines armen Vatcrts. Begreifst Du nun meinen Plan, Du blöder Gesell, und daß sich hier unten im Großen