Volltext Seite (XML)
402 als eine besondere Gnade des Himmels, so rechnete er die Ehe dem Künstler unbedenklich zum Verbrechen an, das dieser an sich, an der Kunst und an denen beginge, die auf des Künstlers ganzes, ungetheiltes Wesen Anspruch hätten. „Das Weib," pflegte er in dieser Beziehung zu sagen, „ist bei allem Werthe, der ihr inwohnen mag, ein Bleigewicht an den Schwingen des Kunstgenius, und die Musen sind so eifersüchtig, daß sie sich gegenseitig ihre Lieblinge abspenstig zu machen suchen, sich unter einander also den sterblichen Mann nicht gönnen, geschweige denn einem sterblichen Weibe." Trotz solcher Ansichten gewahrte Porta jedoch ohne Unruhe die wachsende Neigung der jungen Leute zu einander, denn er dachte: warum sollen sie sich nicht lieben, wenn gleich von keiner Hcirath die Rede ist? Heißt Lieben — Heiralhcn, und ist nicht Liebe eine Poesie, welche mit der plumpen Heirathsprosa nichts zu schaffen hat? Wenn blos diejenigen Leute sich lieben sollten, die sich heirathen können und wollen, so müßte man die Ausgebotszettel in den Kirchen Nachsehen, um genau zu berechnen, wie viel Portionen von Liebe in einer Stadt oder in einem Lande vorräthig sind. Mag Charles die Fiorilla immerhin als eine seiner Mu sen verehren und mit ihr tätscheln und sie als Modell der Juno, Hebe oder Aglaia benutzen. Das ist harm los, und des Mädchens reiner Sinn bürgt mir hin länglich, daß sic niemals als Modell der Venus sich hergeben wird, wenn Charles sich hcrablassen könnte, heidnische Frivolitäten zu malen. — Der gelehrte Mei ster ahncte nicht, daß der Maler, dem oft eine derartige Bemerkung gelegentlich zu Ohren kam, und Fiorilla, der gar nichts daran lag, blos des Künstlers Modell zu sein, ganz andere Pläne hatten, die seinen eigenen schnurstracks cntgegenstanden. Er wußte nicht, daß Charles seine höchsten Wünsche für's Leben an Fio rilla geknüpft, daß er Willens war, erst seinen Ruf in der Kunstwelt zu gründen und dann zur günstigen Stunde Fiorilla's Vater durch irgend eine künst lerische Ueberraschung zu dem ersehnten ooneetlo zu veranlassen; er wußte nicht, daß Charles nahe am Ziele war, als die böse Katastrophe eintrat, die Alles vereitelte und den jungen Mann in Verzweiflung zu stürzen drohte. Was Wunder daher, wenn Charles von der Communication, durch welche das Auge des ----- -- - ----- ----- auf's lte, all sein vem „Wie" soll grollen der Beschämung, daß er-die List Fiorilla's nicht cr- rathcn könire, heftig vor die Stirn schlug, und dann wieder in düstern Zweifel über die Ausführbarkeit von des Mädchens Idee versank. — „Licht, Licht!" rief er unmuthig, als er lange genug dem einsamen Sinnen sich hingegcben; „Alles ist finster drinnen und drau ßen, in mir und außer mir! Wo finde ich Licht?" „In Eurer Kammer, mein Herr, wo die hellbren- ncnde Lampe das kaltgcwordene Eiergericht beleuchtet", antwortete die unbemerkt genahte Professorstochter. „Und seht Ihr den Mond nicht?" fuhr sie schalkisch fort. „Der ist ja aucb ein Licht und zwar das kleine, wie ihn die Juden zur Unterscheidung von dem großen, der Sonne, nennen. Warum hat man der Fiorilla Kochkunst keine Ehre angethan? Etwa aus dem Grunde, daß mit leerem Magen das Studircn besser von Statten geht, als mit vollem? Das ließe ich gelten, wäre nun aber neugierig, die Resultate des ein samen Studiums zu erfahren. Hat man hcrausg bracht, welche List in der bewußten Sache zum Zie führen kann, wenn sich nicht Alles gegen uns vei schworen?'* „Nichts habe ich herausgebracht, mein Herzblatt, sagte Charles mit spärlicher Freundlichkeit. „Ent meine Qual, mein gefährliches Schweben zwische Furcht und Hoffen und sage klar und deutlich, wa Du im Schilde führst." „Noch nicht," erklärte Fiorilla. „Wenn Du sc gar keine Ahnung hast von meiner Kabale, dann sind ich es bedenklich, Dir ohne Weiteres die Sache z entdecken. Ich will Dich nach und nach auf de rechter Weg leiten; das ist viel besser. Aber zuvc sage mir, ob Du Deine betende Cäcilie Morgen frü vor Tage, oder besser, heute noch an diesem alten Lor becrbaum, dem Fenster gegenüber, so aufstellcn ode aufhängen willst, daß die ersten Strahlen der Morgen sonne darauf fallen, und ein Auge, welches durch dc> Fensterladen sehen könnte, das Bild in herrlichster Be leuchtung im vollen Anblick hätte." „Welche Thorhcit," zürnte Charles. „Ehe ich da> „Warum" nicht weiß, hänge ich mich lieber selbst ar einen Ast des Lorbeerbaums." „Dann ginge weder einer der sieben Weisen zr Grunde, noch Jemand, dessen sogenannte Liebe vob Vertrauen ist," lautete die Erwiderung des Mädchens. „Wenn Du der Meinung bist, ich hätte es* au! einen bloßen Schabernak abgesehen, dann verpackt hurtig Deine lederne Heilige und begleite sie zu der