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390 hättet Ihr ihn aber gegen Eure Ueberzeugung verfer tigt, so machte ich Euch einen Eriminalprozcß, als ei nem Unholde, der den Verstand cin§s guten, wackern, doch leichtgläubigen Mannes zu vernichten strebt. Gott schütze den armen Porta!" „Du bist ja recht klug geworden, mein Jüngelchen, seit ich dem Licht Valet gesagt," erwiderte nach langer Pause stillen Grimms der wunderliche Finsterling. „Wie Du sogleich fertig bist im Urthoile über Dinge, welche Du nicht verstehst! Aber das ist die Art ver wahrloster Jugend, welcher die Asrcrwcisheit früher kommt, als der Bart, und besonders ist es die Manier sogenannter Künstler, welche mit dem Pinsel in der Hand auf der Leinwand die Natur in Kleckfarbcn — copiren? nein, viel herrlicher darzustellcn vermeinen, als sie Gott geschaffen. Gehe also immer zu dem guten Prior Ubaldo, der blos glaubt, was er mit Augen sehen, mit Händen greifen und mit Füßen treten kann, geh' und cabalisire ferner mit dem neuen Gönner gegen mich, dessen Gunst Du wahrscheinlich durch ein' gratis für die Ubaldinische Zelle gemaltes Heiligenbild erworben, hüte Dich aber, die Erfüllung meines Schwures vereiteln zu wollen, denn solltest Du die Laden zerbrechen oder mich ge waltsam in's Licht schleppen wollen, so werdet Ihr, Du und die ungerathene Fiorilla, nichts sehen, als meine von ^gua Pollma zerfressene Leiche. Fort! ich will allein sein; jede Menschenstimme ist mir wider wärtig." — 2. Fiorilla, die einzige Tochter des Doktor Porta, stand im Garten den verrammelten Fenstern des Va ters gegenüber, während der Maler Charles, ihr Herzensfreund, drinnen den Sonderling zu bekehren suchte. War sie wirklich ungerathcn, wie der Vater sie titulirt? In leiblicher Beziehung konnte man das Mädchen sehr wohlgcrathcn nennen, ein Epitcton, dem sicherlich die jungen Männer der Stadt, besonders die Kenner der weiblichen Schönheit, nicht widersprochen hätten. — War Fiorilla geistig mißrathcn? Hatte sich eine niedrige Seele in diesen vollendeten Körper verirrt, um das Gesetz der menschlichen Unvollkom menheit recht auffallend zu bestätigen? Wir wollen hören, was die Leute in der Stadt, vorzüglich die Nachbarn, die so gern des Schmutzes vor der eignen Thür vergessend, vor fremden Thüren mit scharfen Besen herumkratzen, über die Doktorstochter nrtheiltcn. „Das Mädchen ist eine Närrin," sprach der und die Eine, „daß sie nicht einen reichen Mann in's Netz ihrer Schönheit zu ziehen sucht, statt daß sie dem ar men Maler anhängt, der nichts hat, als ein leidlich angenehmes Gesicht, einige Pinsel, etliche Näpfe voll Farbe und etwas Leinwand, worauf er wohl ein lecke res Gericht malen, aber kcins in natura erwerben kann." „Das Mädchen ist eine Närrin," sprach ein Zweiter oder eine Zweite, „daß sie mit mühsamer Händearbeit, durch Sticken und Blumenmachen, den Narren von Vater ernährt, der sich vor Niemandem sehen läßt, gar Nichts mehr arbeitet, sondern Tag und N^cht schläft, wenn er nicht noch Schlimmeres treibt, was Gott allein bekannt." „Das Mädchen ist eine Närrin," sprachen dritte, vierte, fünfte und sechste Personen, „daß sie so wenig Aufhebens von sich selbst macht, so cingezogen und männerscheu lebt, unnölhigcs Elend so ohne Wei teres erträgt, sich mit der ärmlichsten Existenz begnügt, da sie berufen ist zu Wohlleben und Schwelgerei, daß sie so sehr die Fromme spielt, und zwar die abstoßend Fromme, was vielen Leuten gar nicht gefällt," — und in dieser Weise ward der armen Fiorilla noch Man ches für Narrheit gedeutet, dessen nähere Bezeichnung nicht zur Sache gehört. Sie war also Närrin, weil sie Treue, Kindesliebe, anspruchslosen, reinen Sinn, Arbeitsamkeit, Frömmigkeit den entgegenstehendcn Eigen schaften und deren Erfolgen vorzog? Nun wir über lassen der schönen Leserin, solch' Urthcil zu bestätigen oder zu verwerfen, wie auch die Beantwortung der sich hier so natürlich ergebenden Frage: ob dem Vater das Licht der Wahrheit leuchtete, als er die Tochter „un- geralhen" nannte. Wer die anmuthige Fiorilla gesehen hätte, wie sie vor dem größern der beiden Fenster stand, reglos, die Hände gefaltet, die Augen gesenkt, tiefen feierlichen Ernst im Gesicht, würde im ersten Augenblick vielleicht eine der obigen Beschuldigungen nicht ganz grundlos gefunden haben, nämlich die der Frömmelei. Warum stehst Du so ohne Bewegung? würde er gefragt haben, da doch ein junges Mädchen, statt in einsamen Contem- plationcn zu erstarren, rüstig und behend umhcrcilen, wirken und ^ordnen soll, was viel besser kleidet- a'' träumerische Ruhe? Warum faltest D' da doch nirgends ein Kruzifix oder Hei hen, das Du also verehren müßtest? ,enkst Du so trübe das Augcnpaar wie eine Büßerin, da Du doch getrost umher und nach oben schauen k<mnst und ein reines, weiblich^ Auge im Kchclndcn Aufblick nach oben gerak" a>r bezauberndsten erscheint? Warum