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382 „Genug des Geplauders!" unterbrach der Lichtscheue ziemlich barsch den Warner. „Du möchtest gern meine Handlungsweise als närrisch darstellen und den Dünkel in mir wecken, der mir schnell das Beil zur Zertrüm merung der Fensterladen in die Hand drückt, aber darüber bin ich weg und die Motive meines Verfahrens sind tiefer zu suchen, als auf der Oberfläche der Narre- thei, von welcher die Stubengelehrten allerdings manch mal befallen werden. Hast Du vergessen, was mich in mitternächtiges Dunkel bannte, was mir das Licht, das Leben mit den Freunden und College», die Stu dien verhaßt machte? O, ich werde dessen eingedenk sein, bis meine Psyche aus der Finsternis die physisch und moralisch mich umgicbt, zum jenseitigen Lickte cmporschwebt! War ich nicht seit 30 Jahren eifrig bedacht, die dunkeln Stellen der Naturwissenschaften zu erhellen und die nebelgrauen Hypothesen durch die rei nen Ampelflammcn klarer Erkenntniß zu verscheuchen? Setzte ich mich nicht, da ich wohl weiß, daß Einer nicht Alles verstehen kann, mit den größten Geistern Europa's in Verbindung, mit den unermüdlichen For schern Deutschlands, mit den glücklichen Spekulanten Britanniens, mit den kühnen Scharfsehern Frankreichs, mit den stolzen Ticsköpfen Hispanicns? Gründete ich nicht mit Aufopferung meines halben Vermögens die so berühmt gewordene ^eailemia <iegl! sreani, auf die sich die Blicke der halben Welt richteten? Und wurden nicht die vereinten Bestrebungen so vieler Grö ßen der Wissenschaft mit glücklichen Erfolgen gekrönt, indem Jeder den Andern ergänzte, unterstützte, belehrte, berichtigte? Ergaben sich uns nicht die wichtigsten Auf schlüsse über Materien, die bisher im Dunkel meta physischen Unsinns verborgen gelegen, wohl gar als Zauberei verschrieen waren? Ja, mein Freund, das innere Wesen der geheimnißvollen Nalurkräslc , der Elcktricität, des Magnetismus, des überall verbreiteten Pblogyston, des Licktes, welches ich zuerst als das Er- gcbniß gewisser Schwingungen des Aethcrfluidnms, also nicht als Ursache, sondern als Wirkung, nicht als Kör per, sondern als Eigenschaft gewisser Körper darstcllte, der Zweck des Sternenhimmels und seine Ordnung, selbst das Geisterreich mit seinen unterschiedlichen Offen barungen, als da sind: Tcufclsmusik, wilder Jager, weiße Frau, Hexentanz in der Walpurgisnacht, Fcuer- mann, Wassernixe, Nordlicht, Fata Morgana, Doppel gangerei und dergleichen, Alles das und noch weit mehr erschloß sich unseren Blicken. Wie war ich glücklich, wenn ich die fortwährende Häufung von Materialien zu meinem großen.Werke sah, das ich zu Nutz und Frommen der Welt ediren wollte, damit späte Enkel selbes als Grundlage für den vielleicht freier gewordnen Horizont der Wissenschaft beim Austlimmen in höhere Regionen benutzen möchten, aber ich ward blind; das tückische Licht rächte sich für meine scharfsinnige Defi nition seines Wesens und mit dem bösen Elemente zugleich feindeten mich Leute an, die Alles, was sic selbst nicht begreifen, auch von Andern nicht begriffen wissen wollen und daher verwerfen. Die königliche Kammer sprach das Anathema über die unschuldige ^osävmia ilvgli rwcaiii, der sie Zauberei, Unglauben und Vatcrlandsverräthcrei unterlegte, worauf meine Schriften mir weggcnommen und die Briefe meiner auswärtigen Correspondenten zurückgesandt wurden. Das war der Hauplschlag. Ich war vernicklet, der Ver zweiflung anheimgegcben, und als das verderbliche Au- gcnübel mich befiel, und der Präsident, mein Feind von jeher, mir höhnisch erklärte, es sei mir nutzer, das zeitliche Augenlicht cinzubüßen, denn jenseits im hölli schen Feuer, welches ich so eifrig zu erforschen gesucht, zu Verbünden, da schwur ich, fortan in der Finsterniß zu leben, mich von allen Dämonen, die im Licht gau keln , abzuspcrren und die geheimnißvollen Wissen schaften im alten Dunkel zu lassen. Diesen Schwur werde ich Hallen; ich werde als Märtyrer der Wissen schaft sterben und das böse Licht soll von mir nichts mehr Wiedersehen, als die dumpfe, matte Aschenhulle meines Leibes, in welcher der physische Funke bald er loschen ist. (Fortsetzung folgt.! Die erfte Lüge. (Eine Grabschrist auf dem Kirchhofe köre I» Ckaise zu Paris.! Schläfer da unten, wie ward Dein letzter Seufzer zur Luge! Und als Denkmal des Schmerzes ruft sie die Mutter Dir nach : „Vater und Mutier! Jetzt fühl' ich mich besser und scheide Nimmer!" so lallte das Kind, lächelte himmlisch — und — starb! — Druck von E. P. Melzcr in Leipzig.