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281 Napoleon's letzten Lebenslage, fein Tod nnd Begräbnis.*) (Nach Ha,litt.) Bis zu Ende des Jahres 1828 trat keine wesent liche Veränderung in Napoleon's Lage und Gesund heit ein, da aber wurde er plötzlich viel kränker, und man konnte voraussehen, daß eine Krisis sich lang sam aber gewiß nahe, wenn sich die Umstände nicht gänzlich änderten, welche Wohlthat ihm aber das Schick sal nicht aufbehalten hatte. Er war um diese Periode kaum der geringsten Bewegung fähig, seine Füße schwollen an, die Seiten- und Rückenschmerzen nahmen zu; Uebelkeiten, häufiger Schweiß, Mangel an Appetit quälten ihn, auch war er häufigen Ohnmächten unter worfen. Die Kinder Bertrand's besuchten ihn jetzt oft, und er ließ sich in ihre Spiele mit der ganzen Einfachheit eines Kindes ein, und behielt sie zuweilen bei Tische. Zu andern Zeiten amüsirte er sich, indem er einer Brut Ameisen zusah, wie sie seine Zuckerdose umkreisten, oder mit dem Springen einiger Fische in einem Reservoir des Gartens. Diese Letzteren krepirten, und der Kaiser klagte, daß doch auf Allem, was ihm Interesse einflöße, Unheil ruhe. Die Nachricht vom Tode seiner Schwester Elisa bewegte ihn tief. Nach einem Kampfe mit seinem Gefühlen, welche ihn bei nahe überwältigt hätten, erhob er sich, von Antom- marchi unterstützt, sah diesen fest an, und sagte: „Wohlan, Doktor! Sie sehen, Elisa hat mir den Weg gezeigt. Der Tod, der meine Familie vergessen zu haben schien, hat sich zu nähern begonnen: meine Reihe kann nicht fern sein. Was meinen Sie?" — „Eure Majestät schweben in keiner Gefahr, sind noch zu irgend einer glorreichen Unternehmung Vorbehalten." — „Ah! Doktor, Sie sind jung, gesund, ich aber besitze weder Kraft noch Thätigkeit, noch Energie, bin nicht länger Napoleon. Sie streben umsonst, mir Hoffnun gen einzuflößen, und mein Leben zurückzurufcn, das auf dem Punkte steht, zu verlöschen. Sie vermögen nichts gegen das Schicksal, es ist unbeweglich, vor seiner Entscheidung giebt es keine weitere Berufung. Das nächste Mitglied unserer Familie, welches Elisa in das Grab Nachfolgen wird, ist jener große Napoleon, der kaum mehr alhmet, der unter dem Joche zusammen bricht, und nichtsdestoweniger noch immer Europa in *) Bei der bevorstehenden Auferstehung Napoleon's aus seinem Felsengrabe zu St. Helena dürfte diese Mittheilung für unsere Leser nicht ohne Interesse sein. D. Red. Alarm erhält. Sie sehen, theurer Freund, wie ich meinen Zustand bcurtheile! Sie, der Sie jung sind, haben noch eine lange Laufbahn vor sich. Was aber mich betrifft, ist Alles vorüber; ich wiederhole Ihnen, ich werde bald auf diesem elenden Felsen meine Tage beschließen." — Wir kehrten, sagt Antommarchi, in sein Gemach zurück. Napoleon legte sich zu Bette. „Schließen Sie meine Fenster," sagte er, „und lassen Sie mich allein, ich werde von Zeit zu Zeit nach Ihnen schicken. Er that dieß wirklich, aber er war beklommen, niedergeschlagen; er sprach von seinem Sohn, von Marie Louise, die Konversation wurde peinlich, ich suchte ihn davon ab und auf Gegenstände zu bringen, die seinem Gefühle weniger schmerzlich sie len. „Ich verstehe Sie," sagte er, „wohlan, es sei so, lassen Sie uns vergessen, wenn anders das Herz eines Vaters je vergessen könnte!" Seit Anfang des März 1821 hütete der Kaiser sein Zimmer. Seine Krankheit und Schwäche nahmen beständig zu. Am 4. versuchte er es zweimal, in den Wagen zu steigen, mußte sich aber wieder legen. Er war zwar noch im Stande, etwas zu genießen, aber sehr wenig, und mit einem schlechtem Appetite als je. Die Konversation siel auf die schönen Künste. Einer der Anwesenden schätzte die Musik nicht, und machte auch kein Geheimniß daraus. „Sie haben Unrecht," sagte der Kaiser, „die Musik ist von allen schönen Künsten diejenige, welche den größten Einfluß auf die Leidenschaften hat, und welche ein Gesetzgeber am mei sten zu ermuthigen verpflichtet ist. Ein schönes Musik stück rührt, schmilzt die Seele, und bringt mehr Wir kung hervor, als eine Abhandlung über die Moral, welche den Verstand überzeugt, uns selbst aber kalt und unbewegt läßt, und keine Veränderung auch nur in der geringsten unserer Gewohnheiten hervorbringt." — Der Streit zwischen Napoleon und seinem Arzte in Betreff der Pillen, Arzneien u. s. w. dauerte fort; gewöhnlich aber fügte sich der Patient, obschon wider Willen und zu keinem Zwecke. Die Nacht vom 6. brachte er sehr unruhig zu, erst gegen Morgen konnte er ein wenig schlafen. Er war schwächer, als er seit vielen Tagen gewesen. Er stand auf, sein Acußeres war vernachlässigt, und Antommarchi bat ihn, seiner Toilette etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. „Als ich Napoleon war," antwortete er mit ziemlicher Ge- müthsbcwegung, „that ich es bereitwillig und mit Ver gnügen, aber was kann jetzt daran liegen, ob ich wohl oder übel aussehe? Ueberdieß verursacht mir dieß jetzt