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Schritten verleitet finden, die geeignet wären, ihn in einem abergläubischen Lichte zu zeigen. . Während der Minister noch nachsann, wie er den besten Gebrauch von der ihm gewordenen überirdischen Offenbarung des Verbrechers machen sollte, ließ sich der Kastellan abermals melden. Nachdem er sich mit dem Baron allein befand, er- öffnete er diesem, daß Emanuel mit seinem Gemälde noch nicht zu Ende sei. Er habe noch eine andere Scene skizzirt, welche den Mörder darstclle, wie er nach vollbrachter That das beilartige Mordinstrument in einem hohlen Baume vcrEge. Der Minister war sogleich bereit, dem Kastellan zu folgen, um sich diese neue Zeichnung in Augenschein zu nehmen. Wie der Kastellan berichtet hatte, so verhielt sich's auch in der That. Emanuel hatte im Hintergründe des Waldes einen bereits alten und hohlen Baum sorgfältig ausgezeichnet. Man erblickte hier die schwa chen Umrisse eines Mannes, wie er ein Beil in die Höhlung des Baumes verbarg. Der Baum selbst mit seinen sonderbar gestalteten Acsten war von den an deren Bäumen leicht zu unterscheiden. Bereits am Nachmittage desselben Tages sah man den Minister vor dem Thore spazieren gehen und bald seinen Weg nach dem Gehölz einschlagen, das durch die Ermordung des Grafen von Lilienfeld eine so lraurige Berühmtheit erlangt hatte. Er hatte bald die Stelle erreicht, wo die schwarze That vollbracht worden war; aber vergebens suchten seine Blicke nach dem alten Baume, den Emanuel auf seinem Bilde so hervorge- hobcn hatte. Der Baron wandelte zweifelvoll durch das hohe Haidckraut in der Stille des Waldes dahin. Er schien sich immer mehr zu überzeugen, daß der Maler nur ein Phantasiebild gezeichnet, welches der Wahrheit entbehre. „Die Sache ist auch leicht zu erklären," sprach er für sich, „Emanuel ist in Folge der Mvrdthat, welche so gewaltig auf sein Nervensystem eingcwirkt hat, in den somnambülen Zustand verfallen; kein Wunder, wenn sein Inneres so davon erfüllt wurde, daß er mit- ^mstgewandter Hand die Mordscenc entwarf. Die Ge nüge des Ermordeten sind allerdings täuschend ge- abcr hat der Jüngling seinen Wohlthäter nicht 'sehen und gesprochen? Daß er ferner den msalls nicht Bösewicht, der seiner mannigfachen Verbrechen halber das Lrnd meiden mußte, die Rede; ja er ward sogar häufig als der Mörder bezeichnet, obschon dieser Verdacht drrch die schärfste Untersuchung sich nicht bestätigt fand. Lie Waldparthie, wo der Mord vorgefallen war, kanrte Emanuel ebenfalls. Es löst sich also das Wunderbar so ziemlich natürlich aus." Der somnambüle Zustani, in welchem der Maler sich befand, als er die Sccir versinnbildlichte, blieb das einzige Räthselhafte. Der Baron wünschte sich im Stillen Glück, vor der nächtlichen Malerei Niemandem etwas entdeckt zu haben, wodurch ein außerordentliches Gerede entstanden sein würde. Er halte jetzt das Wäldchen in verschiede nen Richtungen durchkreuzt, als er plötzlich wie festge bannt stehen blieb und kaum seinen Augen trauen wollte. In einiger Entfernung tief im Gebüsch, erhob sich jener Baum mit den sonderbar gestalteten Acsten, dessen Bild sich dem Minister tief eingeprägt hatte. Noch immer zweifelvoll trat er näher; es war nicht anders, dieß und kein andrer war der Stamm, welchen Ema- nucl mit besondrer Sorgfalt hervorgchoben hatte. Das selbe Alter, dieselbe räthselhafte Verschlingung der Acste, dieselben hervorstechenden Sprünge und Oeffnungcn in der äußern Rinde. Wunderbar ergriffen und nur zögernd nahte sich der Baron dem alterthümlichcn Stamme. Er bog das ziemlich hoch aufgeschossene Erlcngcbüsch zurück; da zeigte sich die auch auf dem Bilde angegebene be deutend große Ocffnung. Der Baron drang bis zu ihr vor. Er untersuchte erst mit seinem Spazierstocke die Höhlung. Plötzlich prallte er einen Schritt zurück. Eine Schlange, die in dem hohlen Baume ihre Woh nung hatte, zischte ihm entgegen. Erst nachdem er das Thier getödtet hatte, gelang es, das Innere des Baumes genauer untersuchen zu können. Wirklich entdeckte er vermittelst des Stockes einen bewegbaren Gegenstand; er faßt sich endlich ein Herz, langte mit dem Arme tief in die Höhlung hinein und zog nicht ohne Entsetzen ein ziemlich verrostetes Beil von mittler Größe hervor. (Beschluß folgt.)