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257 hatten Sie nicht erwartet? — O, der kleine Hanswurst hat Geist wie der Teufel! — Ich hoffe ihn zur Post verwaltung zu bringen." — Endlich rief die lange. Dame zur Tafel. „Wir wollen uns zu Tische setzen," sagte mein Wirth. Ich mußte mich zwischen ihm und Monsieur Alcidor nieder- lassen, weil Madam der Bedienung wegen alle Augen blicke aufzustehen genöthigt ist, — die Bonne war gerade krank, und wir wissen, was das sagen will. „Wenn mein Mann mich zuvor in Kcnntniß gesetzt hatte," näselte die Dame mit einer süßsauern Miene, „so würde ich für den Herrn wohl etwas Besseres zu gerichtet haben; allein er spielt mir unaufhörlich solche Streiche." — „Madam," entgegnete ich, „es sollte mich sehr dauern, Ihnen die geringste Störung verursacht zu haben." — „Ganz und gar nicht! Mein Freund er wartet keine Umstände — Hausmannskost und häus liches Glück, das ist Alles, was er bei uns finden wird." Das häusliche Glück nun bestand aus einer ma gern, mit Kartoffeln garnirtcn Suppe; und um mich ganz zufrieden zu stellen, warf Monsieur Alcidor un aufhörlich Brodkügclchcn auf meinen Teller und Mon sieur Achill stieß mich unter dem Tische mit den Beinen. „Trinken wir ein Gläschen," sprach mein Wirth, „es ist eigner Zuwachs vom vorigen Jahre." — O weh! ich merkte es nur zu sehr! Großer Gott! wel cher Krätzer! — Nach der Suppe erschien ein Stück aufgewärmtcs Rindfleisch, aus welchem meine Augen vergebens einen Schein von Fett suchten. Jndeß ich mußte zulangen; weit lieber hätte ich es aufheben wol len, um es zum Winter in meine Stiefeln zu legen. Nach dem Rindfleisch präsentirte'He Dame vom Hause mit stolzer Miene eine große Schüssel, in welcher ich nichts als eine dunkle Sauce sah. Bei diesem Anblicke singen die kleinen Schelme, die sicher für gewöhnlich nur Gekochtes oder Gewärmtes zu sehen bekamen, zu springen an und warfen ihre Gabeln in die Höhe; die eine siel mir auf die Nase und meine Halsbinde trug die Spuren davon. „Nun versuchen Sie einmal die ses Hühner-Frikassee," sagte mein Nachbar, mir die Schüssel reichend. „Gelt, meine Frau führt eine wackre Küche?" — Glücklicherweise erfuhr ich auf diese Art, daß cs Huhn sei; denn sonst, da ich nichts als Krallen und Knöchel fand, würde ich sehr in Verlegenheit gekommen sein, zu errathen, was ich essen sollte. Monsieur Al cidor wollte seinem Bruder einen kleinen Knochen stehlen und warf dabei die Wasserflasche um; sie rollte vom Tische herab, schüttete ihren Inhalt auf meine Beinkleider und lag in Scherben auf dem Boden. Mama, anstatt mir zu Hülfe zu eilen, jammerte nur über den Verlust ihrer Flasche. Sie läuft den Klei nen nach, um sie zu züchtigen; beide Kinder retten sich hinter eine Thür, die Mutter verfolgt sie mit der Elle; Papa erhebt sich, um seine Frau zurückzubaltcn und ich bleibe allein am Tische. Ich empfand große Lust, mich ebenfalls zu retten! Endlich kommt mein Freund zurück und spricht zu mir: „Trinken Sic etwa Kaffee? — Es ist zwar keiner fertig, aber ich habe eine gute Kaffeemaschine, und mit ein wenig warmem Wasser—" — „Ich danke sehr," antwortete ich, „ich trinke gar keinen; überdieß habe ich viel gegessen — cs thut mir Noth, etwas frische Luft zu schöpfen — ich bin gezwungen, Sie zu verlassen." „Auf Wiedersehen also. Jetzt da Sie einmal das Haus wissen, hoffe ich, daß Sie öfterer mit unserer Hausmannskost vorlieb nehmen werden." — „Ja ge wiß, ich weiß das Haus und den Weg, und werde cs nie vergessen! — noch weniger das häusliche Glück, was ich bei Ihnen zu kosten bekam." — Ich ergreife meinen Hut und renne fort, was ich nur kann. . . ch. Ueber die Mode. (Lus dem Französischen.) Es gicbt.eine Herrscherin, deren drückendste Befehle niemals LMMand erfahren. Niemand thut ihren Beschlüssen Einspruch. Ihre Einfälle sind 'hochverehrte Gesetze, ihre Launen Orakel; nach ihrem Belieben än dert sie die Gebräuche; sie spottet der Ucbereinkünfte, und beugt die strenge Vernunft unter die Kappe der Thorheit. Sie bestimmt das Gute und das Ucble; erschafft und vernichtet den guten Namen, verleiht dein Häßlichen Schönheit, dem Einfältigen Geist, Wissen schaft dem Eharlatan, und widersetzt sich ungestraft den Vorstellungen der Billigkeit, den Rathschlägen der Weisheit und selbst den Vorschriften der Religion. Diese Königin und Großherrscherin der Welt (wie Montaigne sich ausdrückt), ist die Mode (sonst hieß sie Brauch). Ihr liebster Aufenthalt ist Frankreich,