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Die Eilpost erichekrt regelmäßig jede Woche, und wird der Jahrgang 7ä — e<0 Bogen Text mit 52 äußerst fein ge stochenen u. sauber colo- rirten Kupfertafeln, die neusten Pariser, Londo ner und Wiener Moden in etwa 200 Figuren darstellend, umfassen. Außerdem werden der selben jährlich noch 20 — 24Portraits ausge zeichneter Männer oder Frauen, oder Abbildun gen anderer besonders interessanter Gegenstän de.als Ertrakupfer ohne Preiserhöhung bei gege ben. Preis für den Jahr gang mit allen Kpfn. 6 Thlr. ohne Kupfer 3 „ Kupfer allein 4 „ Au beziehen durch alle Buchhandlungen, Zei tungs-Expeditionen und Postämter. Redacteur: Ferdinand Stolle. Vierter Jahr gang. Verleger: Eduard Meißner. SO. Leipzig, -en L4 Mai. 184O. Rache eines Korsen. Tonino Guitera, der ärmste Possidente (Eigen- thümer). der unerschrockenste Jäger derPieve (Geme e), durchschritt eines Morgens eine jener prächtigen Wal dungen, die das Innere von Korsika überdecken, in denen mehrhundertjährige Tannen und Eichen den Stür men Trotz bieten und einem malerischen Kontrast mit dem nackten Saume der Küste bilden. Mit seinem langen Feuerrohr auf der Schulter, das er einem Genuesen abgenommen, und das beinahe sein einziges Eigenthum war, außer einem kleinen Gerstcnfelde und einer Hütte aus rohzusammengesctz- ten Steinen, die er sein Casa (Haus) nannte, spa zierte Tonino mit cmporgerichtetcm Blicke und aus vollem Halse ein Liebesliedchen singend. Er war so stolz, so zufrieden, als wenn der schöne Herrensitz von Guitera, den er zu seinen Füßen erblickte, sein väter liches Erbe gewesen. Er war in der That im dreißigsten Grade mit dem Besitzer der Herrschaft verwandt, mit dem er, wo nicht den Reichthum, doch den Namen theilte, einem alten Gebrauche der Insel gemäß, nach welchem alle IV- Jahrgang. Bewohner eines Dorfes, mit Ausnahme der Venedctte (der Rackiefehde), von derselben Familie sind. Uebrigcns machte Tonino seinem cdeln Namen keine Schande. Er war tapfer, thätig, unermüdlich, listig, wie jeder wahre Korse es ist, und rachsüchtig, wie er es um seines Ruhmes Willen sein muß. Man kannte ihn als den unerschrockensten und stärksten der 50 oder 60 bewaffneten Männer, welche der Cho (Herr) von Guitera, als Haupt des Clans, in's Feld stellen konnte. In allen Kriegen gegen die Genuesen hatte Tonino seine Gefahren und sein Lager auf harter Erde getheilt. Mehr als einmal hatte er sein Leben gewagt, um ihn zu.-etten, und mit Recht glaubte er auf die Erkennt- seines mächtigen Verwandten zählen zu dürfen. Indessen erfüllte jetzt der Ehrgeiz seine Seele nicht. Andere Gedanken beschäftigten ihn, und mit Leichtigkeit klimmte er einen steilen Pfad hinan, den ein geübter Jäger allein zu betreten wagen konnte. Er erblickte bald, was er suchte. Es war eine Zie genheerde. Doch nur der Hund bewachte sie, die Schäferin war nicht da, und diese Schäferin war seine Verlobte.