Volltext Seite (XML)
202 die Verschiedenheit der Farben trübte es. Das Fest von Pont-Abbe wurde sonst gewöhnlich am Ufer des Flusses gefeiert und man tanzte unter den Weiden und auf dem Rasen, aber seit einigen Jahren ist die ganze Wiese, welche nur die Wiese der Serpc beißt, mit Wolle bedeckt, welche darauf getrocknet wird und man konnte seitdem nicht mehr tanzen; das Gras starb ab und die Weiden verloren ihre Blätter." „Vor allen Anderen bedauerte Marccline, daß das Wasser des Flusses durch das Färben der Wolle seine reine Farbe verloren hatte, denn einmal machte es ihr große Freude, sich in seiner Fläche zu spiegeln und dann traf sie hier auch die hübschesten jungen Bursche der Gegend, welche zu stolz oder zu faul, um in der Fabrik zu arbeiten, ihre Zeit mit Fischen oder mit Kresse suchen hinbrachten. Und diese unterhielten sich mit ihr, scherzten und sagten ihr tausend Schönheiten. Justin Fauvel theilte damals noch nicht den Glauben, den die anderen Leute von dem Flusse hegten und wenn er Jemand begegnete, der ihm zuricf: „„Nimm Dich in Acht, Du beleidigst die Serpc, Deine Frau wird sie rächen,"" so lachte er, zuckle mit den Achseln und kehrte ruhig zu seiner Arbeit zurück." „Der hauptsächlichste Feind der Fabrik war ein ge wisser Simon Blondcau, welcher gewiß der schlech teste Bursche der Gegend war. Er halte in seinem Gesicht und in seiner ganzen Haltung etwas Bestimm tes, welches Beherztheit andculele und den Leuten, die ihn nicht genau kannten, gefiel; ein Paar stechende Augen, schwarze buschige Augenbrauncn, einen braunen Teint, lockiges Haar und breite Schultern. Er suchte gern Händel, weil ihm seine kräftige Gestalt und seine nervigen Arme gewöhnlich den Sieg verschafften. Auch waren seine Hände, da er sich viel an anderen Orten umhcrtricb und nur selten in der Fabrik arbeitete, nicht so mit Farbe beschmutzt, als die der anderen Bursche. Dazu kam, daß er ein guter Tänzer und ein geschickter Aalfänger war, und dieß alles mußte ein junges, hüb sches und kokettes Mädchen, wie Marceline Erandin war, schmeicheln." „Seit einiger Zeit bemerkte man, daß Simon und Marcelinc oft zusammen an dem Ufer der Serpc spatzieren gingen und man sagte, sie liebten sich. Der Fluß wurde zugleich sehr wild und launenhaft und Justin gcricth fast in Verzweiflung." „Bald darauf erschien das Fest von Pont-Abbö, der schönste Tag für die ganze Gegend. Herr Coutard pflegte dabei die sämmtlichcn Arbeiter der Fabrik um sich zu versammeln und Lob oder Tadel zu spenden, je nachdem sie das Eine oder das Andere verdient hatten. Mitunter vertheilte er auch an solche, die sich durch ihren Fleiß und ihr gutes Betragen besonders ausgezeichnet hatten, hübsche Geschenke. An diesem Tage beschenkte er Justin Fauvel mit einer goldenen Uhr. Die übrigen Arbeiter machten große Augen, der Neid ward in ihnen rege, obschon sie sich gestehen mußten, daß Fauvel das Geschenk verdient habe. Aber eifersüchtiger, als alle Anderen, war Simon Blondcau, weil Herr Coutard ihn am meisten tadelte und ihm erklärte, daß, wenn er sich nicht in Kurzem ändere, er aus der Fabrik weggcjagt werden solle." „Simon bekümmerte sich wenig um diese Drohun gen, er dachte nur an die goldene Uhr, die Justin er halten halte und sann auf Mittel, wie er sich an die sem, den er für seinen ärgsten Feind hielt, rächen wolle. Von diesem Tage an war das Verderben Justins in seinem Innern beschlossen, er schwur, ihm alles nur mögliche Böse anzuthun." „Justin hatte gehört, daß die jungen Mädchen aus der Fabrik und besonders Marceline cs sehr bedauerten, daß sie nicht, wie sonst, auf der Wiese tanzen könnten, und er wirkte von Herrn Coutard, an den er sich in ihrem Namen wendete, die Erlaubniß dazu aus, je doch sollte es das letzte Mal sein. Da sich die Fabrik von Tag zu Tag vergrößerte, so brauchte man im nächsten Jahre die ganze Wiese, um die Tücher darauf zu bearbeiten und cs sollte alsdann nicht einmal mehr erlaubt sein, sich dem Flusse zu nahen. Diese Nachricht verursachte unter den jungen Leuten viel Trauer, sie be schlossen aber, diesen Tag noch recht fröhlich zuzubringen." „Marcelinc war an diesem Tage schöner als je und Alle wollten zugleich mit ihr tanzen. Simon tanzte den ersten, den zweiten, den dritten Tanz mit ihr und wenn die Anderen, welche sie ebenfalls zum Tanz auf- gcfordert hatten, erschienen und ihre Hand erfassen woll ten, so stieß Simon sie mit finsterer Miene zurück und sagte: „„Es ist nicht Eure Reihe."" Sie zogen sich, ohne zu antworten, zurück, weil sie wußten, daß cs nicht gcrathcn war, mit Simon Blondcau anzubinden." (Fortsetzung folgt.)