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168 benachrichtigte seine Gäste, daß man sich schon zu lange mit den Barbaren und ihren Gebräuchen beschäftigt. Er lud seinen Sohn ein, in seinen Versen die Tugenden des erhabenen Kaisers zu rühmen, und nachdem der Jüng ling seinem Verlangen entsprochen, entließ er Graham, den holländischen Kapitän und ihren Dolmetscher Bang. Indessen war es geschrieben (wie die Fatalisten sa gen würden), daß der holländische Kaufmann große Unruhen in der Stadt verursachen sollte. Seine Waare hatte Schaden gelitten. Die chinesischen Kaufleute, ge wohnt, von der ostindischen Gesellschaft gut erhaltene Stoffe zu beziehen, setzten voraus, daß alle europäi schen Maaren, welche man ihnen verkaufe, in gutem Stande sein müßten. Sic untersuchten sie also nicht genauer, bevor sie von dem Holländer kauften. Wie groß war nun ihr Schreck, ihr Zorn, als sie seine Baumwollenzeuge befleckt und an mehren Stellen zer rissen fanden. Das Volk drängte sich drohend, fluchend vor der englischen Faktorei, als die Nachricht von diesem Be trüge in der Stadt sich verbreitete. Quang-tam, der für den Kapitän Bürgschaft geleistet, beklagte in seinem Lusthäuschcn das Unglück, womit dicß Ereigniß ihn bedrohte. Er hatte nicht allein für sein Vermögen, sondern auch für seine persönliche Sicherheit zu fürch ten. In seiner Eigenschaft als Hong war er verant wortlich für alle Vergehen, welche von seinen Schütz lingen begangen werden konnten. Unter der schreienden, schimpfenden Menge, die sich in den Straßen drängte, befanden sich auch Bang, der Reisende, und sein Bruder Haopi. Ihre Ellnbogen berührten, ihre Augen begegneten sich. Auf den ersten Blick erkannten, begrüßten sie sich, und dachten nicht mehr an des Auflaufes Ursache, sondern nur an ihre Freude, während das Volk das verdorbene Zeug zu dem Rath der Hongs brachte, vor welchen einige Zeit nachher die beiden Brüder als Zeugen beschützen wurden. Die Hongs waren in einem niedrigen Saale ver sammelt. Acht derselben saßen im Halbkreise. Quang- tam befand sich vor ihnen, mit kreuzweis über der Brust zusammengeschlagenen Händen und gesenktem Haupte. Man entwickelte vor ihm die verdorbenen Zeuge. Je mehr beschmutzte und zerrissene Stücke bei Seite geworfen wurden, um so heftiger äußerte sich sein Schmerz. Er weinte wie ein Kind. Aufgefor dert, sich zu vertheidigen, nahm er erst nach einer lan gen Pause das Wort. Er machte die Unmöglichkeit geltend, einen so küh nen, einen bisher so unerhörten Betrug, wie den von Seiten des holländischen Kapitäns, zu ahnen. Wie hätte sein Blick die sorgsam gepackten Ballen durch drungen können, die so frisch, so wohlerhalten schienen, wie die der ostindischen Gesellschaft? Ungerecht im höchsten Grade würde es sein, ihn für eines so betrü gerischen Barbaren Vergehen zu bestrafen. Daß man diesen züchtige, streng züchtige, scheine ihm recht und billig, und er verlasse sich dabei vollkommen auf der Richter erprobte Weisheit. Aber daß man einen Sohn des himmlischen Reiches zwingen werde, dieß irdische Paradies zu verlassen, weil ein schlechter Fremdling, für den er etwas unbesonnen Bürgschaft geleistet, sich erlaubt, verdorbene Waare zu verkaufen, das sei weder der Milde, noch der Schlangenklugheit, noch der Ge rechtigkeit seiner Richter würdig. Nachdem er lange auf dieselbe Weise gesprochen, und schließlich eine sehr tiefe Verbeugung gemacht, ließ man Pang hcrcintreten, um von ihm einige Nachrich ten über den Handel der Barbaren, über ihre Treue in Erfüllung cingegangener Verpflichtungen, über die Art und Weise, wie man bei ihnen verkehre u. s. w. einzuziehen. Der Jüngling äußerte sich weitschweifig über die auf eigene Kosten in England gemachten Er fahrungen, wo man ihn vielfältig betrogen und hinter- gangcn. Auf die Frage, ob er beobachtet, wie man sich dort beim Wiederverkauf des in China angckauftcn Thee's benehme, cntgegnete er: „Es ist ein wahrhaft erstaunliches, beinahe unbe greifliches Verfahren, das man bei dieser Gelegenheit in Ausführung bringt. Der Barbaren Schamlosigkeit zeigt sich hier in ihrer ganzen Blöße. Was sie um einen Spottpreis bezogen, das schlagen sie um große Haufen des feinsten Goldes und Silbers wieder los. Es ist schwer, in unserm glückseligen Lande sich einen Begriff zu machen von dieser auf das Acußerste ge steigerten Betrügerei." „Groß ist das Land der Barbaren, zahlreich sind der Bewohner Häuser, und in allen diesen Häusern bereiten die Frauen den Thec. Die Erkenntlichkeit aller dieser Nationen gegen unfern erhabenen Kaiser muß sehr tief sein. Er erlaubt einigen reichen Leuten, die ungeheuren Theevorräthe auszuführen, den dieß Volk bedarf. Ueber diesen reichen Leuten ist ein Kö nig, der ihnen befiehlt, es seinen Unterlhanen nie an