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185 Die Einen wie die Anderen schüttelten, rollten, brei ten die Blätter aus mit sichrer, schneller, geübter »and, wobei alle mit außerordentlicher Geläufigkeit hwatzten. Base, Mutter und Großmutter sprachen »om Mond, vom Kaiser und von der Rcißernte. Die Kinder unterhielten sick vom Abendessen und von dem Spielzeug, das man ihnen versprochen. Die Stunde der Abreise schlug endlich. Haopi verkaufte vorlheilhaft seinen Thee. Gowo und seine Töchter nahmen vielen Anlheil an ihrem jungen Freund und verschafften ihm leicht eine Trägerstelle. Man malte auf den Ballen, den er tragen sollte, das Zeichen des Distrikts, wo der Thee gewachsen, und das des Ortes, wohin er bestimmt war, so wie das individuelle Merkmal Leu-tse-pi's. Der Abschied war zärtlich. Haopi erklärte: daß eine von Gowv's Töchtern, deren Augen von einem mildern Feuer, als das des Morgensterns, sprüheten, ihm eine innige Neigung eingeflößt, und das Abwe senheit sie nie schwächen werde. Um der europäischen Kritik ein Spezimcn von dem chinesischen Phrasenbau zu überliefern, theilcn wir die übliche Mataphcr mit, welcher der junge Landmann bei dieser Gelegenheit sich bediente: „Da der Greis des Mondes mit einer Silbersaite das Herz Haopi's und der schönen Miliang um schlungen, wird der Jüngling dieß Band jenseits der Berge mit sich nehmen, ohne daß je etwas cs zerreißen könne." — Leu-tse-pi's Sohn machte sich auf den Weg. Auf steinigen Pfaden, mit Menschen bedeckt, denen das bit terste Elend auf allen Zügen geschrieben stand, schritt er gegen Kanton vorwärts. Ucberall begegnete er gro ßen Hausen jener Unglücklichen, die, barfuß, große mit Erde angcfülltc Korbe auf ihren kahlgeschorenen Köpfen tragend, irgend einen vergessncn Winkel fruchtbar zu machen suchten, um ihr Leben zu fristen. Mit Abscheu und Entsetzen sah er das Bestreben der Bewohner einiger wilden Gegenden, sich ekelhafte Nahrungsmittel zu verschaffen. Diese kochten das Fleisch vor Alter gestorbener Thicre, jene erweichten im Was ser Bergdisteln und Sumpfrohr; einige verschlangen gierig die kriechenden Thiere, deren sie habhaft werden konnten. Solche Scenen erfüllten des Jünglings Ge- mükh mit den traurigsten Empfindungen. Er fragte sich, warum alle diese noihlejdcndcn Sohne des erha bensten Kaisers ohne Eigenlhum, Arbeit und Nahrung seien? „Die Barbaren," sagte er, „nehmen uns viel Thee ab. Aber wenn sie noch mehr kauften, würden wir dafür Erzeugnisse ihrer wilden Länder erhalten, und könnten unsere Thccpflanzungcn vergrößern. Alle diese Unglücklichen würden dann Arbeit und Nahrung finden." „O erhabner Vater der Bewohner des himmlischen Reiches, wenn Du ihr Elend sähest, gewiß würdest Du den Menschen der fremden Länder erlauben, uns so viel Thee abzukaufen, als sie wollen. Die Mütter würden nicht mehr besorgen, Kindern dieß Leben zu geben, die sie nicht ernähren können. Die Barbaren, die den Thee sehr gern haben, würden ihnen Nahrung und Kleider geben. Freudige Gesänge würden des Hungers Geschrei ersetzen, und die Pfade im Gebirge würden nicht mehr mit Leichen und Gerippen bedeckt sein." Diese an und für sich nicht unwichtigen Gedanken entwichen jedoch aus Haopi's Geiste, als er Kanton erblickte, eine der prächtigsten Städte des chinesischen Reichs. Der Pekiangstrom, dessen ungeheures Bett sich noch erweitert in der Nähe der Stadt, die ihn be schaffenden zahlreichen Fahrzeuge, die hohen Stadt mauern, die einen Umfang von zwei Stunden haben, erregten des Jünglings Bewunderung. Er heftete lange seine Blicke auf die Hongs, oder fremden Faktoreien, wo die Beamten der Nationen, welche die chinesische Regierung „Barbaren" nennt, cingcsperrt leben. Er staunte die ungeheure Terrasse an vor den Hongs, die den Lauf des Flusses beherrscht, das Eisengilter, das sie absondert, und die in der Nähe befindlichen zahlreichen Kaufladen. In seinen Augen war diese den Barbaren zuge- standne Niederlassung im himmlischen Reiche etwas durchaus Neues, Unerhörtes, und sobald er seinen Ballen abgelegt, kehrte er an das Eisengitter zurück, um recht mit Muße Alles zu betrachten, zu prüfen, was seinen Blicken sich darstellen würde. Zufällig setzte er sich, vom langen Marsche ermü det, außerhalb der britischen Faktorei, hart an das Git ter. Hier sahen ihn Graham und Jenkinson in dem Augenblicke, wo ihr Wortwechsel über Staatswirthschast und Handelsinteressen etwas lebhaft zu werden begann. Der junge Haopi hatte die ganze Neugier eines Provinzbewohners, die ganze natürliche Verwunderung über alle sich ihm darbietenden Gegenstände, die un verkennbar einen Neuankömmling bezeichnet. Mit ern sten Schritten maß er die kleinen gepflasterten Straßen Kantons, blieb er vor allen Kaufläden stehen, obgleich