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Schlaf oder Tod. Novelle von Ferdinand Stolle. Das Nachinittaggewittcr hatte sich über den Wald zurückgezogen; ein erquickender Sommerabend ruhte über Berg und Thal. In seiner Jclängerjelieberlaube, von wo man weit über die Landschaft hinausschauen konnte, saß Cornelius der Arzt der Gegend, und seine Blicke weilten mit der Ruhe des Weisen auf der herr lichen Schöpfung. Er hatte den Plato, in welchem er gelesen, zugeschlagen und erfreute sich in dem frischen Grün, in den Farben der stillen Blumen, in dem Ge summe der Bienen und dem Schmettern der Finken und Grasmücken des lebendigen Commentars. Auf fernem Berge, in der Gegend des Abend, flammte das durch den Blitz entzündete Wohnhaus eines friedlichen Weinbauers. Malerisch stiegen die weißgrauen Wolken zum Abendhimmcl empor, wahrend hier und da in dem großen, weithinlaufenden Thale die Glocken die Stimme der Menschenfreundlichkeit und des Hülferufs ertönen ließen. Cornelius war der erste gewesen, der seine sämmt- liche Hausgenossenschaft, seinen thätigen und umsichti gen Pflegesohn und Famulus Alban an der Spitze, den Hülfsbedürftigen zugeschickt hatte. Nur er allein und seine Tochter Theodolinde waren zurückge- lliebcn. .L „Die Kurzsichtigen," sprach der Arzt, „wie hart sind sie bestraft; sie sind die Einzigen, welche meinen Rath, sich nür der wohlfeilen und lcichtherzustellenden Art Blitzableiter zu ver^-heri, in thörichter Sorglosigkeit belächelten; jetzt haben sie allein den Zorn des Him mels zu büßen, wahrend die ganze Gegend nur den Segen des Gewitters empsu^." Wirklich war auch die gar^ Landschaft durch die Einführung des von Cornelius »upsohlenen lcichther- zustcllendcn Schutzmittels lange Jal> vor de>' zün denden Blitze verschont geblieben. Die schöne Theodolinde trat jetzt in dic«aube und schmiegte sich liebend an den Vater. „Für ein Obdach ist gesorgt," sprach das Mädchen; „die blaue Stube und die zwei Kammern über der Gärtncrwohnung werden Raum geben." „Wohl, meine Tochter," crwiedertc der Arzt, „und ein gut Abendbrot — „Steht schon bereitet unter der großen Linde. Hab' auch ein Fläschchen Wein daz« gestellt," fügte sie schmeichelnd bei; „die Armen werde,-, ermattet sein von Schreck und Arbeit." Cornelius ruhte mit Wohlgefallen auf den Zügen seines Lieblings. Er strich das dunkle Haar von ihrer Stirn; als ein Reiter die Kastanienallee vor dem Gute daher sprengte, bei der Gattenthür abstm, und den Gang hcrauseilte. Es war Alban, ein kräftiger, schöner Jüngling, mit offenem, einnehmendem Gesicht. „Gott sei Dank," rief er, noch aufgeregt von thä- tiger Hülfcleistung, „das Häuschen ist zwar zum Guk- kuck aber Niemand verunglückt und alle Gerätschaften sind gerettet. Unsre Leute kamen zur rechten Zeit und haben brav gearbeitet." Theodolinde blickte mit stiller Liebe zu Alban; aber plötzlich verdunkelte sich ihr Auge. „Um Gott," rief sie, „was ist mit Deiner Hand geschehn?" Der Gefragte zog jetzt seinen Arm, den er unter dem Kragen des Oberrocks verborgen hatte,' und der mit einem Tuche umwunden war, hervor. „Bcrstnat ein Wenig," lächelte der Jüngling, „wei ter Nichts. Als Ich Ehristelchcn, das jüngste von Lindncr's Kindern, das man in d>r Bestürzung i Eile vergessen hatte, aus der Kammer holte, mckte Flamme bereits nach der Wiege, worin das Kind lr „Und Deine Locken sind auch verl-tzt," fuhr dolindc mit ängstlicher Sorgsamkeit fort. „Nicht der Rede wcrth," versetzte Alo'u- Corne lius aber gebot der Tochter einen Verb mir'- Baum wolle zu besorgen. Das Mädchen eilte in da? Herr>^ zurück; Al ban wandte sich zum Pste ievat»^- müssen durch aus," sprach er, „Morgen aller Frühe einen Spa ziergang machen, lieber Mter, Du sollst Deine Freude haben, wie drs G "er die ganze Gegend nach der vierzehntäaigen Dü .. ero .ckt hat." Uitt.rdeß war mp rettende Dienerschaft, mitsammt der rüge ! -lc: Wimerfamilie zum Gute gekommen. Cornm - ,,e.b geh nach dens grünen Platze un ter der ine ..>o er pon den Winzerslcuten mit Dan- kesthr.i' " mr.n vard. Er nahm den alten Lindn- ' ' 'Stube. , ier u Et as - die ersten Bedürfnisse," sprach er, den freue > Ü berraschten eine Geldrolle in die Hand " rückend. „Für das erforderliche Bauholz werde ich ,crgm. Ich stelle mir eine Bedingung dafür: