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Nebst Beiblatt: „D er SaIo n." Jede Woche erscheint bis IV» Bogen Text und l bi» 2 sein gestochene und sauber colorirte Kupfertafel», > bis 10 verschiedene Abbildungen der neuesten Pariser, Londo ner und Wiener Moden ent haltend. Außerdem werden derselben von Zeit zu Zeit die neuesten Schnitte von Klei dern für Damen und Herren noch grati» beigegeben. Preis des Jahrganges mit Kpfrn. 6 Thlr. ohne Kpfr. S „ Kpfr. allein 4 „ Alle Buchhandlungen, Zei- tungserpeditionen ».Postäm ter nehmen Bestellungen an. Redacteur und Verleger: Ferdinand Stolle. Kommissionär: Theodor Thomas in Leipzig. 8» Neue Folge. Erster Jahrgang. 1842» Pie iüngste Schwester. Novelle. Der Geistliche einer kleinen Stadt in der Lom bardei, wo ich eine Zeit lang lebte, hatte drei Nich ten, welche sämmtlich sehr angenehme und vortreff lich erzogene Mädchen waren. Ohne Eltern und ohne Vermögen, lebten sie bei ihrem braven Oheim, der sich ihrer angenommen hatte, und Dank ihrem Charakter und ihrem guten Willen, durch ihre An wesenheit ward die Wohnung des Pfarrers zu einem Sitz des Glücks, der Heiterkeit, des Behagens. Der gute Alte seinerseits wußte ihnen durch seinen Unter richt einen so verständigen und ernsten Sinn einzu- stößen, daß sie — bei hübschen Mädchen gewiß eine Seltenheit! — den Gedanken an eine eheliche Ver bindung, den sie wohl bisher noch genährt hatten, völlig aufgaben. Er stellte ihnen vor, daß, da sie arm wären, sie nur Männer finden würden, die an Bildung unter ihnen ständen, oder gleichfalls arme, die ihnen nur ein sehr elendes Loos' bieten könnten und sie in's Unglück stürzen würden. „Die Armuth," sagte er oft in meiner Gegenwart zu ihnen, „ist keine Schande; verächtlich vielmehr ist jeder, welcher nicht für diejenigen, welche sie mit Würde tragen, Neue Folge. I. Jahrgang. doppelte Achtung hegt; der Arme ist bemitlcidens- werth — aber der Mangel ist eine rauhe Prüfung, und ihn aufzusuchcn, ist ein Wagestück, bei dem man seinen Frieden, das Gleichgewicht der Seele nur zu leicht cinbüßt." Der Alte verstand seine Erziehungsmethode so gut, daß er seinen Pflegebefohlenen eine wahrhaft bewundernswürdige Fassung und Seelenruhe ein impfte. Wenn er eine Wolke auf der Stirn der einen oder andern sah, sagte er mit jener scherzenden Offenheit, die den Italienern eigen ist: „Was hast Du, mein Kind? Geh vom Fenster weg, denn wenn Dich die jungen Herren von der Straße sehen, so möchten sie glauben, Du seufztest nach einem Manne." Und sogleich kehrte das Lächeln der Unschuld und eines edlen Stolzes auf das erheiterte Antlitz der Sanftzurechtgewiesenen zurück. Man kann glauben, daß diese Familie in der strengsten Abgeschiedenheit lebte. Die jungen Mäd chen wußten zu gut, daß sie sich selbst den Blicken der Männer entziehen müßten, da sie sich zur Ehe losigkeit entschlossen hatten. Wollte sich ja einmal eine Neigung in das Herz einer der Schwestern ein- schleichcn, so ward sie im Stillen bekämpft und be siegt; in dieser Beziehung zogen sie sich, wie innig