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79 schüft, nie der Wille eines Günstlings, nie das Ur- theil der Menge Einfluß; kühn unv unerschüttert ging er seine eigene Bahn, und that stets nur das, was nach seiner innigen Ueberzeugung gut und recht war. Man könnte zwar die Eroberung Schlesiens und die Thcilung Polens dagegen anführcn, und beides ungerechte Handlungen nennen, doch darauf haben die berühmtesten Publizisten längst geantwor tet, und von ihnen ist der große König längst ge rechtfertigt worden; deßhalb wäre hier jeder Beweis, daß er in seiner Lage so handeln mußte, überflüssig. Um so mehr man aber den Regententugenden und den persönlichen Eigenschaften dieses Monarchen Gerechtigkeit widerfahren lassen muß, um so uner klärlicher wird ein Zug in seinem Eharakter, der seinen Gesinnungen, seiner Denk- und Handlungs weise, ja aller gesunden Vernunft geradezu wider sprach, und der durch keine bekannt gewordene Ursache motivirt ward. Dieses ist sein bis zum Aeußersten getriebener Haß gegen Ostpreußen, und sein Lebelang unbesiegbares Vorurtheil gegen diese Provinz und seine Bewohner. War je bei einem Monarchen ein Grund vorhanden, auf irgend einen Thcil seiner Staaten einen besondern Werth zu legen, so war dieses bei Friedrich dem Großen mit Ostpreußen der Fall. Nicht nur schrieb sich davon sein Königs titel her, sondern sie war auch durch ihre Größe, natürliche Fruchtbarkeit und großen einträglichen See handel die wichtigste Provinz seines Reiches. Er herrschte, da die Landstände längst außer Thätigkeit gesetzt waren, darin ganz unumschränkt; in Hinsicht der Kriegesmacht, besonders der Kavallerie, gewährte sie ihm die ausreichendsten Mittel, und in jedem Betracht war sie das kostbarste Juwel seiner Krone. Die Einwohner standen denen der übrigen Provinzen des Reichs nicht nur nicht an Treue nach, sondern gaben vielmehr bei jeder Gelegenheit die unzweideu tigsten Proben ihrer unerschütterlichen Anhänglichkeit an den König. Während der Besetzung des Landes durch die Russen wurden viele Personen ihres Pa triotismus wegen nach Sibirien geschickt, andere er litten ihrer Treue halber, die sie gegen ihren recht mäßigen Landesherrn bewiesen, von dem Feinde die gröbsten Mißhandlungen; am glänzendsten stellt sich aber die Liebe der Preußen für ihren Monarchen durch die Thatsache dar, daß es der Lberpräsident von Domhart dahin zu bringen wußte, daß während der ganzen Dauer der Besetzung des Landes durch die Russen, die Landeseinkünfte sämmtlich in die königlichen Kassen flössen, da man durch falsche Quittungen den Feind täuschte, und die Pachten und Abgaben als schon auf sechs Jahr vorherbezahlt an gab. Um diese Sachen wußten Hunderte von Be amten; Amtsräthe und Kriegsräthe stahlen sich als Fuhrleute verkleidet durch die russischen Truppen und brachten die königlichen Gefälle nach Berlin, oder unmittelbar dem Könige, und es fand sich kein ein ziger Nerräther unter so vielen Hunderten, die um diese Maßregel wußten. Das Alles aber war nicht hinreichend, den Haß des Königs gegen dieses Land zu überwinden, der sich bei jedem Anlaß auf das deutlichste aussprach. An den Marquis D'Argens schrieb er aus Preußen: „Ich möchte Ihnen etwas schenken, und lasse Ihnen die Wahl zwischen einer jungen Lit- thaucrin und einer schönen Stute; doch rathc ich zu der letzteren, denn sie scheint klüger zu sein, als die erstere." Häufig behauptete er, daß alle Preußen dumm wären, und nie gelangte ein in diesem Lande Geborener dazu, in seine nähern Umgebungen aus genommen zu werden. Die Königsbergische Biblio thek wurde auf seinen Befehl ihrer kostbarsten Ma- nuscripte beraubt, und die Berlin'sche damit be reichert. Als bei einem großen Brande in Königs berg ihm der General von Meyer einen Plan vorlegte, wie bei dem Wiederaufbau die Stadt, ohne alle Mehrkosten, verschönert werden könnte, so erhielt derselbe eine höchst mißfällige Abfertigung, und aus ausdrücklichen Befehl des Königs mußte der Neubau wieder in der alten häßlichen Unregelmäßig keit begonnen werden. Der preußische Handel wurde auf alle mögliche Weise zum Vortheile Berlins be einträchtigt und stets wurde Ostpreußen wie eine eroberte Provinz behandelt. Am auffallendsten aber wird die Zurücksetzung dieses Landes, wenn man die Summen, die den übrigen Provinzen zur Er höhung ihrer Landescultur und Beförderung der In dustrie jährlich bewilliget wurden, mit denen ver gleicht, die Ostpreußen erhielt. Während Hundert tausende an die undankbaren Flächen der Mark und Westprcußen verwendet wurden, kargte der König mit dem nothwcndigsten, das zum Anbau der reichsten Ländereien Ostpreußens und Lithauens erforderlich war, wovon die Zinsen hundertfältig gewonnen wor den wären. Dieser letzte Umstand ist besonders charakteristisch, und liefert den traurigen Beweis,