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56 Beunruhigendes, als hier und da einen kurzen miß trauischen Seitenblick wahrnehmen konnte. Der Po- lizeidicncr fragte, ob Capitän I. nicht zu Hause und zu sprechen sei. „Ich will Nachsehen, mein Herr," sprach einer von der edeln Gesellschaft, und ver schwand sogleich durch eine Thür, welche vorher nicht von der übrigen Wand zu unterscheiden gewesen war. Nicht lange, so kam der Bote zurück, mit der Mel dung, der Capitän würde sich freuen, Herrn .... in seinem eignen Zimmer zu sehen, wohin auch der Bote alsbald die Besuchenden führte, und sich em pfahl. Capitän I. war ein Mann von mittlerem Alter, mit etwas jüdischen, doch einnehmenden Zügen, und würde, hätte man ihn anderswo getroffen, durch sein angenehmes Wesen das vollkommenste Zutrauen eingeflößt haben. Er war sehr anständig gekleidet, und sein Zimmer schön möblirt; auf dem Tische stand eine Flasche Wein, womit er sich eben labte, und daneben lagen zu seiner Erbauung die Tagesblätter, das Polizei-Journal uud allerhand Zettel, welche Belohnungen für verlorenes Eigenthum anbotcn. Er stand auf und begrüßte den Polizeidiener als einen guten Bekannten, verbeugte sich gegen dessen Be gleiter, und bat ihn höflich, sich niederzulaffen und ein Glas Wein mit ihm zu trinken. Der Polizei diener gab ihm hierauf zu verstehen, der Herr habe ein kleines Geschäft, wobei ihm der Capitän wohl behilflich sein könnte. „Mit Vergnügen," war die Antwort, „das heißt aus dem gewöhnlichen Wege." „Das versteht sich," erwiederte der andere, und setzte die Sache aufs Genaueste aus einander. „Ent schuldigen Sie, daß ich mich auf ein paar Minuten entferne," sprach der Capitän, und verließ das Zimmer. Mein Freund, dessen Neugierde auf's Höchste gespannt war, that jetzt eine Frage an seinen Führer; aber dieser unterbrach ihn mit einer unbe deutenden Bemerkung über das Wetter, ein Wink, den jener sogleich verstand, und schnell die Ursache davon in einer an der Wand hinlaufenden Sprach rohre erkannte. Der Capitän kam auch bald wieder zurück, und erklärte, die Uhr sei wieder zu haben; da dieses aber viele Mühe kosten werde, so müsse man bei ihm fünf Guineen nicderlcgcn, wofür die Uhr den folgenden Morgen zurückgegcben werden solle. Die fünf Guineen wurden aufgczählt, und der Eigenthümer beschiedcn, sich mit dem Schlage zwölf vor der St. Georgcnkirchc einzusinden, um seine Uhr zu empfangen. Als dieses abgemacht war, sagte der Polizeidiener: „Jetzt, Herr Hauptmann, wollen wir eins mit Ihnen trinken, wenn es Ihnen beliebt." „Von Herzen," erwiederte dieser, und zog die Klingel. Ein hübsches Mädchen in der gewöhn lichen Tracht einer Magd, brachte ungeheißen Gläser und eine andere Flasche. Als sie diese auf den Tisch setzte, sah sie den Gast mit einem langen durch dringenden Blick an und verließ das Zimmer. Dieß erregte natürlich neue Besorgnis; bei ihm, und ließ ihn den Wein nicht ganz so gut schmecken, als er seinem Gefährten zu schmecken schien, der nicht die geringste Lust zum Aufbruche zeigte, bis er die Flasche leer sah. Endlich stand der Polizeidiener aus, und der Capitän führte beide auf einem andern ganz verschiedenen Wege hinaus, und ehe sich mein Freund versah, befanden sie sich in der Hauptstraße. „Das ist ein kürzerer Weg," bemerkte er. „Ja und ein weit schwererer," erwiederte der andere. Mein Freund, welcher sehr begierig war, über das Ge sehene näheren Aufschluß zu erhalten, bat den Po- lizeidicncr, in einem nahen Gasthofe mit ihm zu Nacht zu essen, was aber dieser unter einem Vor wände ablchntc, dafür aber versprach, am folgenden Abend in einem entfernten Theil der Stadt mit ihm zu speisen, wenn er den Beweis haben würde, wie Diebe ihr Wort halten. Zur bestimmten Stunde fand sich mein Freund, eben so gekleidet wie am Abend vorher, an dem bezeichnctcn Orte ein. Die Glocke schlug zwölf Mal, und eben fuhr ihm der Gedanke durch den Kopf, man habe ihn geprellt, als ein prächtig gekleidetes Frauenzimmer an ihm vorbcistrciste, ihn mit einem einzigen Blick ansah, ein Paket ihm in die Hand drückte, und unter der Menge verschwand. Es war die Uhr; aber es fehlte ein schwerer goldner Schlüssel, der daran gebunden gewesen war; doch auch dieser ward ihm Tags darauf in einem Brief mit der kleinen Post zuge schickt, nachdem er den Umstand gegen den Polizei diener erwähnt hatte, der sich Abends versprochener Maßen im Gasthofe einsand. Mein Freund erfuhr von diesem jedoch nichts Näheres, als daß das Da sein solcher Diebesvcrsammlungen selbst den höheren Behörden bekannt sei; daß es durchaus nothwendig schiene, sic zu dulden, weil es sonst unmöglich sein würde (selbst wenn die Diebe ergriffen, und was doch, außer bei Straßenräubcreicn, fast unmöglich ist, überwiesen würden), gestohlene Dinge wieder zu bekommen. Druck von C. P. Metzer ln Leipzig.