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trat, und ihre vorigen Wohlthäter wieder um Arbeit und Brod bat. Scheu und stumm staunte Jeder die Wittwe an, die in der Fülle der Gesundheit vor ihnen stand. Ein leises Flüstern erhob sich und endlich brach ein Bürger, der ihr sonst immer Arbeit und Verdienst gegönnt, aber während der Seuche seinen einzigen Sohn verloren hatte, in die Worte aus: „Hebe Dich von hinnen, Zauberin! der Teufel mag Dir ferner helfen, wie er Dir bisher geholfen hat." Diesem Ausruf stimmten die übrigen Versammelten tobend bei; man ließ die Wittwe nicht zu Worte kommen, und stieß die Weinende, um die sich ihre Kinder schreiend gesammelt hatten, verächtlich zur Stube hinaus. Die wunderbare Erhaltung dieser mittellosen Familie ging, nach dem Bedünken der achtbarsten Bürger, nothwendig nicht mit rechten Dingen zu. Daß sie zaubern könne, daran zweifelte zuletzt Nie mand. Einige wollten schon früher Hexenstückchen von ihr erlebt haben. Endlich that der Stadtrichter, ein ehrsamer Schneidermeister, den Mund auf, er zählte viele Beispiele, wie die Feldfrüchte durch arge Zaubereien verderbt worden seien, und gab zuletzt nicht undeutlich zu verstehen, er seinerseits sei voll kommen überzeugt, die Hungersnoth und die Seuche wären Wirkungen ihrer Zauberkraft und ihres Nei des gewesen. Gläubig nickten die anwesenden Schöp pen der Meinung ihres Vorstehers Beifall, und ihrem Beispiele folgten die Köpfe der Uebrigen. Der allseitige Beifall machte die Vcrmuthung zur Gewiß heit. Da man hierüber in Richtigkeit war, so schien es den Schöppen nothwendig, sich der Zauberin zu bemächtigen, ehe sie, aus Rache, ein anderweitiges Unheil anstislete. Sie wurde in ihrer Hütte über fallen, aus der Mitte ihrer Kinder gerissen, und in den Kerker geschleppt. Am folgenden Tage sollte sich Rachna vor den Augen der ganzen Gemeinde verantworten, durch welche zauberische Mittel sie sich und ihre Kinder so wohl erhalten, wenn und warum sie mit dem lei digen Satanas in ein Bündniß eingegangen? u. s. w. Aus dieß Alles entgegncte sic nur, der Hunger, der zu dem Genuß der ekelhaftesten Gegenstände ver führe, habe sie die Krebse als eine nahrhafte Speise kennen gelernt. Diese seien, nebst Wurzeln und Kräutern, ihre und ihrer Kinder alleinige Nahrung gewesen. — Sprachlos vor Entsetzen staunte Jeder mann das sonderbare Weib an. Wer bisher noch an ihrer Zauberei gezweifelt hatte, glaubte nun steif und fest daran. So häßlich auch die Krkbse in ihrem rohen Zu stande erscheinen, so waren sie dennoch schon bei den alten Griechen und Römern ein beliebtes Essen, und Aesop soll in diesem Punkte ein zweiter Lucull ge wesen sein; bei den slavischen Völkern galten sie lange für höchst giftig, wer hätte daher an ihren Genuß gedacht? Noch in unfern Tagen sind sie nicht nur den Russen eben so ekelhaft, wie Frösche den Britten, sondern ihr Genuß ist den griechischen Glaubensverwandten durch ein Religionsgesetz ver boten. Man begreift nun das Erstaunen der Menge bei Rachn.a's Aeußerung. Man fragte sie nun, wie und warum sie» die '-Mmgersnoth und die Seuche verursacht habe? und da sie natürlicher Weise sich dazu nicht bekennen wollte, zwang man ihr das Ge ständnis; durch die Folter ab und verurtheilte sie dann, ohne' auf iH^e, ferneren Worte Rücksicht zu nehmen, zu dem Fcucrtode. Niemand bemitleidete sie, Jeder sah in ihr die Stifterin des erlittenen Elends, fluchte ihr und verwünschte sie. Es muß hier nachgeholt werden, wie Rachna mit der Genießbarkcir der Krebse bekannt wurde. In den ersten Wochen der Hungersnoth behalf sie sich und ihre Kinder mit Wurzeln, Kräutern und wildem Obst; doch als sie auch dieses nicht mehr haben konnte, ihre Familie sichtbar dem Tode cnt- gcgcnwelkte, beschloß die Verzweifelnde, um dem qualvollen und langsamen Hungertode zu.entgehen, für sich und ihre Kinder ein kürzeres Lebensende durch Gift zu suchen. Die Krebse galten -bei den Hannaken für die giftigsten Thiere, daher wurden diese zur Ausführung ihres Vorsatzes gebraucht. Allein durch das Sieden verschwand die ekelhafte, natürliche Farbe des Thicres, durch den Genuß des selben lernte sie ein schmackhaftes Fleisch kennen, und so fand sie statt dem gesuchten Tode ein neues Lebensmittel, das eben darum, weil Jedermann dessen Genießbarkeit unbekannt gewesen war, in Menge vorhanden war. — Wohl batte sie alles das ihren Richtern erzählt, allein über die Wahrheit siegte das Vorurtheil, dessen Opfer sie werden sollte. Am Vorabende des zur Hinrichtung bestimmten Tages kam der damalige Landeshauptmann, der durch seinen Patriotismus, wie durch sein Mährens