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obenerwähnte, berühmte Nurgil, in einer Entfernung von etwa 30 Meilen, und gegen Nordwesten be ginnen die hohen Piks des Hindukusch sich zu zeigen. Wir verließen den Cabulfluß, zogen das Thal gegen Balabagh") hinauf und konnten nun die reichen Gärten unterscheiden, welche unter den Schneebergen liegen, und wo die berühmten Granaten ohne Kerne wachsen, die nach Indien ausgesührt werden. Wir hielten in einem Weinberge. Die Reben werden hier nicht beschnitten, sondern man läßt sie an den höchsten Bäumen hinaufranken, und wir sahen sic zu Balabagh bis zur Höhe von achtzig Fuß. Die Trauben sind indeß nicht so gut, wie die, welche man an Geländern zieht. Es regnete zu Balabagh und unser Quartier war mehr romantisch als bequem, weßhalb wir bei einbrechender Dämmerung Schutz in einer Moschee suchten. Das Volk schien mit seinen religiösen und weltlichen Angelegenheiten all zusehr beschäftigt, um sich viel um uns zu kümmern, und bis jetzt hatten wir noch nicht die geringste Un höflichkeit von irgend jemand erfahren, obwohl wir allenthalben umherstrichen. Die Leute scheinen durch aus kein Vorurtheil gegen Christen zu hegen, und ich hatte nie von ihnen den Ausdruck Hund oder Ungläubiger vernommen, die in den Werken so mancher Reisenden eine so große Rolle spielen. „Ländlich, sittlich," ist ein Sprüchwort unter ihnen, und der afghanische Moslem scheint die Christen mehr als seine Hindumitbrüder zu achten, denn sie nennen uns „Leute des Buchs")," während sie die Hindus für Menschen halten, deren Nacht des Aberglaubens von keinem Propheten erhellt wurde. Zu Gandamek erreichten wir die Gränze der heißen und kalten Region; es soll auf der einen Seite des Bachs schneien, während es auf der an dern regnet. Das Pflanzenleben nimmt eine andere Form an; der Weizen, den man zu Dschellalabad eben schnitt, war zu Gandamek nur drei Zoll hoch, obwohl die Entfernung nicht über 25 Meilen beträgt. Auf den Feldern erblickten wir die weißen Gänse blümchen unter dem Klee, und die nur zehn Meilen entfernten Berge waren mit Fichtenwäldern bedeckt, welche etwa 1000 Fuß unter der Schneegränze began nen; die scharfe Luft nöthigte uns wärmere Kleidung auf. Reisende sind mannigfachen Unfällen ausgcsetzt, *) Wörtlich: der obere Garten. ") D. h. der Bibel. so fraß mir Abends eine Katze mein Mahl vor dem Munde weg, und ich mußte den Hunger mit Brod und Wasser stillen, und noch dazu in einem schmutzigen Stalle, an dem wir noch froh sein durften. Doch ist hier zu Lande das Brod wohl gesäuert und ge backen, und darum sehr schmackhaft. Ungefähr drei Meilen von Gandamek kamen mir durch den Garten von Nimla, berühmt als das Schlachtfeld, auf welchem Schah Schudscha ol Mülk im Jahre 1800 seine Krone verlor. Der Garten liegt in einem hoch cultivirten Thale, umgeben von dürren Hügeln. Es ist ein schöner Ort, die Bäume haben, vielleicht durch Beschneiden, alle dieselbe Höhe, und beschatten mit ihren Zweigen eine Menge Blu men, unter denen die Narcisse sehr üppig wächst. Dieser durch Kunst verzierte Fleck eignet sich nicht sonderlich zu einem Schlachtfelde, und das Kriegs glück zeigte sich auf dieser Stelle sehr launisch. Schud scha verlor hier seinen Thron, indem er von einem zehnfach schwächcrn Heere geschlagen wurde; da er einen solchen Ausgang keineswegs befürchtete, hatte er alle seine Juwelen und Schätze mit sich geführt, die er gern aufopferte, um sein Leben zu retten. Fatih Khan, Mahmuds Vezier, der den Sieg für seinen Herrn errang, setzte diesen auf einen der für den König bereit gehaltenen Staatselephantcn, und verkündigte so seinen Sieg. Schudscha floh in das Land Kheiber, und seitdem haben alle seine Ver suche, sein Königreich wieder zu erobern, fehl ge schlagen. Nichts fällt in diesem Lande einem Fremden so auf, als die von der indischen ganz verschiedene Art, die Pferde zu unterhalten. Man nimmt ihnen bei Tage nie einen Sattel ab, weil man glaubt, sie ruhten dann besser bei Nacht. Man führt nie ein Pferd auf und ab, sondern man besteigt es entweder, oder läßt es im Kreise herumgehen, bis es abgekühlt ist. Man gibt ihnen in dieser Jahreszeit kein Korn, sondern grüne Gerste, die noch nicht in die Aehren geschossen ist. Man bindet acht bis zehn Pferde an zwei Stricke, die man parallel neben einander be festigt. Stets wird der Schweif in einen Knoten gebunden, und der Hintere Theil des Pferdes jeder zeit mit einem sehr säubern, mit Seide besetzten Filz bedeckt, der durch den Schwanzriemen festgehalten wird. Sie brauchen den usbekischen Sattel, der unserm Husarensattel gleicht, und recht angenehm ist; die Peitsche binden die Reiter an das Hand-