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276 eigenen Lande gesehen, aber auf unfern Bekannten, obgleich ein Häuptling, war sich nicht zu verlassen. Er war ein langer, knochiger, magerer Mann, wie alle seine Landsleute geistigen Getränken sehr er geben, und wenn er von seinem Lande sprach, so nannte er es Iagistan oder das Land der Rebellen. Wir begleiteten ihn bis an einen Baumgarlen in der Nähe von Peschawer, wo er ein Trinkgelage mit uns zu beginnen wünschte, wir hielten aber ihn und seine Gefährten für wild genug, auch ohne betrunken zu sein. Wir setzten oberhalb Mutschni aber den Cabul fluß aus einem Floß, der durch aufgeblasene Häute getragen wurde, aber ein schwaches und unsicheres Transportmittel war. Der Fluß ist nur 2L0 Pards (228^ Metres) breit, seine Strömung aber so reißend, daß wir ein paar tausend Schritte weit sortgerissen wurden, ehe wir am gegenüberliegenden User landeten. Unsere Reit- und Packpserde schwam men hinüber. Mutschni ist ein zerstreut gebautes Dorf am Eingänge des, Thales, wo der Cabulfluß in die Ebene tritt; unterhalb diesem Orte thcilr er sich, in seinem Lause zum Indus, in drei Arme. Gewöhnlich befährt man diesen Fluß auf Flößen, doch gibt es auch einige Boote, und die nach Mekka ziehenden Pilger schiffen sich häufig zu Acora ein, und fahren darin den Indus hinab nach der See. Waaren werden zwar nie auf dieser Straße gesendet, doch ist es von Wichtigkeit zu wissen, daß eine Wasscrverbindung beinahe von Cabul an bis in's Meer statt findet. Am Listen hatten wir alles zu unserer Weiter reise ungeordnet, indem wir die Momends, einen Räuberstamm, gewannen, der etwas minder wild ist, als seine Nachbarn in Khciber, und durch dessen Land wir ziehen mußten. Sie verlangten eine halbe Rupie für einen Muhammedaner, und doppelt so viel für einen Hindu, gaben sich aber mit weit weniger zufrieden, obwohl sie über die Vcrtheilung Streit ansingen. Wir begannen unfern Marsch, in dem wir über Berge und Felsen kletterten, und ge wannen bald Vertrauen aus den Einfluß unserer guten Freunde, als wir einzelnen Reisenden be gegneten, die nur von Kindern begleitet waren, denen ihr Stamm hinreichend Schutz gewährte. Nach einem ermüdenden Marsch über Bergpässe befanden wir uns am Cabulfluß, über den wir zum zweiten Male setzen mußten. Wir kannten jetzt unsere Reiseart und die Behandlung, die wir zu erwarten hatten, vollkommen; wir rückten nur in einen Haufen ge- schaart von der Stelle, und als wir unter einer brennenden Sonne an die Ufer des Flusses kamen, hatten wir kein Mittel hinübcrzukommcn, als bis unsere Freunde, die Momends, abermals befriedigt waren. Wir legten uns nieder in den Schatten einiger Felsen, die von den Steilwänden herabge stürzt waren, welche sich majestätisch über uns auf eine Höhe von 2000 Fuß erhoben, während vor uns der tobende Fluß reißend dahin schoß. Seine Breite betrug nicht über 120 P. (100,8 Metr.). Gegen Nachmittag brachten unsere Hochländer acht oder zehn Felle, wir begannen übcrzusetzen, aber die Nacht brach ein, ehe wir alle hinüber waren, und wir setzten das Berggras in Brand, um die Umgebung zu erhellen, und dem schwachen Floß den Weg zu bezeichnen. Der Uebergang war langweilig und schwierig, an einigen Orten bildete die rasche Strö mung Wirbel, die uns umdrehten, und wir hatten das Vergnügen, uns erzählen zu lassen, daß wenn wir uns weiter abwärts treiben ließen, wir in einen Wirbel gerathen würden, der uns hungerig und schwindelig einen Tag lang im Kreise herumdrehen könne. Dieser Ungelegenheit entgingen wir indeß alle, obgleich einige ziemlich weit sortgerissen und wir selbst in kleinern Wirbeln ein paar Mal umge dreht wurden. Auf keiner Seite des Flusses war ein Dorf oder sonstige Wohnungen, wir breiteten daher unsere Teppiche aus dem Boden aus, und er freuten uns nach des Tages Last einer kühlen Nacht. Das Gecöse des Stroms lullte bald die meisten von uns in den Schlaf, und gegen Mitternacht ließen sich nur noch die Stimmen der Bergbewohner ver nehmen, die auf einen unser Lager überragenden Felsen sich gesetzt hatten, und das Tageslicht er warteten. Sie glichen einer wahren Gurgelschneider bande, und es war komisch, die studirte Hochachtung zu sehen, mit der wir alle sie behandelten. Ihr An führer, ein zerlumpter Spitzbube ohne Turban, ritt auf einem Pferde: man sang sein Lob, und Geschenke wurden ihm dargebracht; wir hatten aber nicht so bald das Land verlassen, als jeder mit Schimpf worten bei der Hand war. Die Gesinnung unserer Gesellschaft konnte man an einem alten Mann ab- nchmen, der an der Gränze des Momendlandes sein Pferd in ein Weizenfeld trieb, und ausrief: „Friß nur, mein gutes Thier, die Momendschurken