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Jede Woche erscheint bis L* 4 Bogen Tert und l bis 2 fein gestochene und sauber colorirte Kupsertafeln, 3 bis 10 verschiedene Abbildungen der neuesten Pariser. Londo ner und Wiener Moden ent haltend. Ausserdem werden derselben von Zeit zu Zeit die neuesten Schnitte von Klei- Rcdacteur und Verleger: Ferdinand «tolle . V? s:r. Neue ^olgc. Erster Jahrgang. Per gefährliche Lisch. Novellet te nach dem Französischen Im Jahre 183',, gegen das Ende des Deccm- bers, fand viel lebhafte Bewegung in dem Hause des Herrn Wilhelm Herder statt, eines der reichsten Geschäftsleute der guten Stadt Wien. Die Ursache davon war ganz einfach und natür lich; es handelte sich nämlich um nichts weniger, als um die nahbevorstehende Heirath der schönen Mar garethe, der Blüthe der Wiener Jugend und der einzigen Tochter des Herrn Herder, mit dem sehr hochangesehenen, sehr reichen und sehr einflußreichen Finanzherrn, dem Banguier Hoffmann, welcher ungeachtet seines Namens durchaus nichts Ueber- schweugliches und Phantastisches hatte, etwa sein Vermögen ausgenommen.') Die Vermählung war bestimmt auf den 5. Januar des Jahres 1826 festgesetzt, als aus einmal eine jener unerwarteten Katastrophen eintrat, welche der Han del jeden Tag zu erwarten hat und die den besten Vermögensstand, der unerschütterlich schien, in sein *) Der französische Verfasser macht hier noch die Bemer kung: „In Deutschland heißen alle Leute Hofsmann!" Neue Folge. I. Jahrgang. Gegentheil verwandeln können. Ein Handelshaus in einer der bedeutendsten österreichischen Provinzial- städtc, mit welchem Herr Herder in dircctcr Ver bindung stand, stellte seine Zahlungen ein; der Chef hatte die Flucht ergriffen. Die fürchterliche Kunde davon kam zu Herder vier Tage vor dem großen Festtage, und das Gerücht verbreitete sich in der Stadt mit rapider Schnelligkeit, wie sich in der Regel schlechte Nachrichten zu verbreiten pflegen. Ein so unvorhergesehenes Ereigniß war für den Geschäfts mann um so verhängnißvoller, als er eben von seinem Associü bedeutende Summen zu einer wichtigen Un ternehmung erwartete. Sobald Herder keinen Zweifel mehr über sein Unglück hegen konnte, ent schloß er sich sogleich, sich an seinen künftigen Schwie gersohn zu wenden und ihn um Trost und — Capi- talicn anzugehen. Aber ach, nach langen leeren Redensarten sagte ihm der Vanquier offen, er be dauere ihn zwar, aber was die Capitalien beträfe, so könne er nicht zu Diensten stehen. Ja, er ging so weit, daß er endlich sein Wort, die Tochter Herrn Hcrder's zu heiralhen, zurücknahm, indem er als Grund die noble Besorgniß aussprach, die Verbin dung möge seinem Credit als Banguier schaden. Der unglückliche Vater begab sich hinweg, den Tod im