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24Z verursacht. Aller Augen waren auf sie gerichtet, alle Aufmerksamkeit, alle Gedanken waren so ganz ihrer Person zugewendet, daß man allenthalben von ihr sprach, ohne ihren Namen zu nennen. Sie! dieß genügte, sie zu bezeichnen, und obwohl wenig stens hundert Damen in den Salons sich befanden, so schien es unmöglich, daß das Wort Sie auf einen andern Namen, als dem der Madame Meru- pas, gedeutet werden könne. „In der That, sie hat sich verjüngt!" sagte man auf allen Seiten. Die Stellung der Heroine zur Gesellschaft lieh auch diesem begeisterten Urtheil viel Wahrscheinlichkeit. Ihr Zurückzichen hatte Lärm gemacht, man hatte viel davon gesprochen, und wie ihr Alter, das indessen Niemand genau kannte, die drängendste Ursache davon schien, so hatte man sich nach und nach an den Gedanken gewöhnt, Madame Merupas habe bereits Runzeln und graue Haare; sie hatte in der Einbildung der Welt viel mehr ge altert, als in der Wirklichkeit; kein Wunder also, daß sie bei ihren Erscheinen Jedem noch viel jünger vorkam, als sie wirklich war. Das Complimcnt der Frau von Berald verlor seine Ironie. Sie fängt ihre Jugend von vorn an — das schien ganz wahr gesagt. Madame Merupas war bezaubernd; die Freude über den glücklichen Erfolg belebte ihr Antlitz, sie thronte gleichsam in der Mitte ihres Hofes, und ihre Blicke, so wie ihr unnachahmliches Lächeln er laubten ihren Eourmachern nicht, sich zu entfernen. „Mein Gott, wie schön Mama diesen Abend ist!" sagte die naive Anais zu dem Eontre-Admiral. „Diesen Abend nur?" cntgegnetc der Seemann mißlaunig. „Ich gestehe, daß ich sie viel lieber in ihrem Hause sehe!" Ernst kam jetzt auf Madame Merupas zu, und nun hatte sie für Niemand mehr, als für ihn, Blicke und Lächeln. Der arme junge Mann war ganz betäubt von diesem Triumph, den er nicht im Entferntesten erwartet hatte; er bemerkte, daß ihn alle Welt beobachtete, er verlor den Kopf und konnte nur noch einzelne unverständliche Worte stammeln. Madame Merupas antwortete ihm durch jenes sanfte Neigen des Hauptes jetzt, das auf Bällen in der Regel die Einwilligung zu einem Tanze bedeu tet, zu dem man eine Dame aufgefordert hat. Der arme Mensch gerieth ganz in die Schlinge; er wagte nicht zu gestehen, daß er für den nächsten Eontretanz mit Frau von Berald engagirt sei; das Ritournell ertönte und er ging mit Madame von Merupas über den Saal, oder vielmehr, er ward von ihr geführt, denn vor seinen Augen flirrte cs. Madame Merupas tanzte noch immer; — ein leises Geflüster lief durch die Versammlung. Ernst dachte wohl an Frau von Berald und an sein Unrecht, sie in Stich gelassen zu haben, bald aber ward sein Gewissen durch den Titel des begünstigten Cavalier der Madame Merupas, der Königin des Balles, der Dame nach der Mode, beruhigt und in einer Viertelstunde war er so berauscht von dem Triumphe, den seine Eigenliebe feierte, daß er alles um sich her vergaß. „Wahrlich, sie ist reizend!" konnte sich der Eon tre-Admiral nicht enthalten zu sagen, trotz seiner schlechten Laune. „Ich hätte nicht geglaubt, daß sie tanzen würde," entgegnete Anais mit trocknem Ton. Der Eontre-Admiral betrachtete sie voll Ver wunderung, und als er einigermaßen das Räthsel errathen zu haben glaubte, konnte er ein Lächeln nicht verbergen. Die Zeit flog, wie auf Flügeln, für Ernst da hin; er war wie umgetauscht; die Bekanntschaft mit den berauschenden Erfolgen in der großen Welt hatte sein stilles und bescheidenes Wesen ausgestachelt — er schwebte aus dem Gipfel des Entzückens, und alle die eleganten Dandy's, welche Madame Me rupas, ehe sie sie gesehn, gar nicht ihrer Unter haltung für würdig erachtet hatten, beneideten Ernst jetzt in hohem Grade. „Mein Gott, Sie haben Frau von Berald sitzen lassen," sagte Madame Merupas zu Ernst. „In der That," antwortete dieser lächelnd, nach dem er wieder ein wenig Haltung gewonnen; „auch Sie scheinen ein klein wenig von dem Fehler zu be sitzen, den ich ihr zum Vorwurf zu machen hätte." „So? Und welchen Fehler, wenn ich fragen darf?" „Die Bosheit." „Frau von Berald ist boshaft?" entgegnete Madame Merupas, indem sie große Verwunde rung heuchelte und zu vergessen schien, wie sie selbst bei ihrem Eintritt in den Saal es erfahren — „Ich kann es kaum glauben; Sie bürden ihr da einen Fehler auf, der gewiß nicht in ihrem Charakter liegt."