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240 das kleine Haus von St. Mand«^ umgab, spazieren > gegangen sei. Herr von Valencap machte sich ! bei dieser Kunde ernste Gedanken, denn war Frau von Fleurieu eine ehrbare Frau, so konnte es nicht geduldet werden, daß das junge Mädchen alle Nächte mit dem verliebten Schwärmer zusammen käme; waren die Damen hingegen nur Abenteuerin nen, so durfte sich ein junger Mann von Familie nicht durch sie compromittiren. Herr von Valen- cay beschloß also, sich durch den Augenschein zu überzeugen; er besprach sich mit dem Hauptmann Gustav's, man gab dem jungen Gardclieutenant Arrest, und der Vater begab sich in aller Stille nach Saint-Mandk. An dem kleinen Hause angekommcn, ließ er hal ten, stieg allein aus und suchte eine Ocffnung in der Mauer, die man ihm bezeichnet hatte. Mit der Gewandtheit eines jungen Mannes gelangte er so in den Park. Herr von Valencap war ein schöner Mann und hatte sich außerordentlich gut conscrvirt. Ucbcrdicß hatte er noch eben so sehr die Neigungen, als das Feuer der Jugend. Das gegen wärtige Abenteuer hatte darum für ihn etwas Pi kantes und weckte in seinem Herzen manche alte Erinnerung auf. Er schritt leise vor. Endlich, am Ausgange einer Allee, glaubte er ein weißes Kleid und einen Stroh hut mit Schleier zu gewahren. „Pst! — Pst! — Sind Sic es, mein Herr? — Ja?" Musterte es. Und Herr von Valencap näherte sich und ergriff die dargcbotene Hand; sie war weich und zart. „Wissen Sic auch, daß ich doch sehr Unrecht daran thue, mich einzustellcn?" sagte eine ängstlich gehemmte Stimme. „Sie haben lange auf sich war ten lassen." „Mein Vater hat mich zurückgehalten — und — " „Himmel! Sic sind nicht Gustav! O, das ist eine Niederträchtigkeit!" „Beruhigen Sie sich, mein Fräulein, Sie sind ohne Gefahr bei mir. Glauben Sic nicht, daß mein Sohn einer Niederträchtigkeit fähig gewesen." „Ihr Sohn, mein Herr?" „Ja, Gustav ist mein Sohn. Nun weinen Sie nur nicht, mein Fräulein. Sein Sie versichert, daß Sie mit dem Vater des jungen Mannes zusammen sind, den Sie lieben." „O mein Herr —" „Ich habe Sic zu sehen und kennen zu lernen gewünscht. Da ich von seiner Liebe erfuhr, Hab' ich für Sie gezittert, denn Gustav ist noch ein Kind! Ich hielt es für meine Pflicht, Sie über die Lage der Dinge aufzuklären." „Aber mein Herr, er wird kommen —" „Heute nicht, mein Fräulein, er hat Arrest — für ein kleines Dienstvergehen — nur eine Nacht lang." Herr von Valencap schmeichelte der jungen Person; er machte sie sicher, sie wurde mittheilend, sie entdeckte ihm, daß Frau von Fleurieu Wittwe sei und in eingeschränkten Verhältnissen lebe; jener Herr von Fleurieu, der während der Emigration ausgewandert, sei der ältere Bruder ihres Gatten gewesen. Herr von Valencap hörte das junge Mädchen aufmerksam an, das voll Geist und Anmuth schien; um bequemer, ohne die Stimme mehr zu erheben, sprechen zu können, hatte sie den Schleier zurückge schlagen — ein Mondstrahl siel durch das Laubwerk und ließ ihn ihr Gesicht sehen. Er bemerkte volle schwarze Locken, eine weiße Stirn und, so weit die Dämmerung es zu erkennen zuließ, ein mildes, schö nes Antlitz. Tausend Gedanken gingen im Kopfe des Herrn von Valencap durch einander; erst konnte er sich nicht enthalten, die von seinem Sohn getroffene Wahl gut zu heißen, dann aber sing er an sein eigenes Alter und fast sich selbst zu vergessen; allmälig kam er sich jünger vor und fühlte sich wie ein fünsundzwanzigjähriger Jüngling; seine Unter haltung wurde lebhafter, galanter, überredender. Er sprach von seinem Vermögen, er ermangelte nicht hinzuzufügen, daß er eigentlich niemals sich wieder habe verheirathen wollen, und kam die Rede aus Gustav, so halte er immer etwas einzuwenden: er sei noch zu jung, erst Sous-Lieutenant und könne deshalb noch keine Frau nehmen; erst müsse sich seine Lage verbessern, u. s. w. Diese Erklärung schien eben keine allzuungnnstige Wirkung hcrvorzubringen. Das junge Mädchen ging langsam, ihm zuhörend, an seiner Seite, und nahm endlich den Arm an, den er ihr bot. Es trat ein Moment des Stillschweigens ein. Während desselben hatte Gustav's Vater seine seltsamen Gedanken. Zweierlei beschäftigte ihn besonders: Fräulein von Fleurieu wäre keine üble Parthie; aber Gustav kann sich vor sieben bis acht Jahren nicht verhei- rathcn; Cäcilie würde so lange nicht warten