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21» Neue Folge. Erster Jahrgang. 1842« Redacteur und Verleger: Ferdinand Stolle. Commisßonär: Theodor Thomas in Leipzig. Jede Wecke ersckeint I'/i bis IV» Bogen Teil und I bi» 2 fein gestochene und sauber colorirt« Kupfertafcl», S bis Ist verschiedene Abbildungen der neuesten Pariser, Londo ner und Wiener Moden ent haltend. Außerdem werden derselben von Zeit zu Zeit die neuesten Schnitte von Klei dern für Damen und Herren noch grati» beigegeben. Preis des Jahrganges mit Kxfrn. « Thlr. ohne Kpfr. » „ Kpfr. allein» ,, Alle Buchhandlungen, Jei- tungserpeditionen ».Postäm ter nehmen Bestellungen an. Pas Stell-ich ein. Novellette. „Saint-Iean, was ist es an der Uhr?" „Gerade Mitternacht, mein Herr!" „Gut! — Hast Du angespannt?" „Was denn, mein Herr?" „Verstelle Dich nur nicht! — Das Cabriolet meines Sohns. Nicht wahr, jedesmal gegen Mit ternacht verlaßt Ihr ganz leise das Haus, vertragt Euch mit meinem Schließer Ledru und empfehlt ihm an, die Thüre ja recht sacht und ohne Geräusch züzumachen? Hab' ich recht? Du siehst, ich bin wohlunterrichtet. Jetzt geh'; Du sollst mich nach Saint-Mand«? bringen, dort an das Haus, wohin Du heute wieder mit meinem Sohn fahren solltest — dießmal will ich seine Stelle einnehmen." Es ließ sich nichts erwicdcrn, Saint-Iean mußte gehorchen. Herr von Valencay wußte Alles: die Geschichte Gustav's war eine solche, wie sie alle jungen Leute von zwanzig Jahren spielen. Es war im Jahre 1818; Herr von Valencay, der kaum fünsundvierzig Jahre zählte und seit langen Jahren schon Wittwer war, hatte einen einzigen Sohn, den er leidenschaftlich liebte. Gustav war Neue Folge. I. Jahrgang. in der That ein liebenswürdiger Cavalier; wenn ihn Herr von Valencay zärtlich betrachtete, so er innerte er sich, daß er in seiner Jugend von eben so einnehmendem und bestechendem Aeußern gewesen sei. Der junge Mensch war eben in die königliche Leibgarde eingetreren und würde sich hier gewiß auf vortheilhafte Weise bemerkbar gemacht haben, wenn er mehr Pünktlichkeit im Dienste gehabt hätte. Sein Vater kam aber bald dahinter, daß unser junger Sous-Lieutenant des Abends nicht zu Bette ging und jedesmal erst am Morgen zurückkehrte. Herr von Valencay ließ seinem Sohn auspaffen und erfuhr, daß zwischen Vincennes und Paris hinter einem kleinen Gehölz ein kleines Haus versteckt liege, welches eine Wittwe mit ihrer Tochter bewohnte; sie hieß Frau von Flcurieu. Herr von Valencay hatte niemals etwas von diesen Damen gehört. Alles, dessen er sich erinnern konnte, war, daß ein Herr von Fleurieu existirt habe, der während der Emigration gestorben war; doch auch dicß war nur eine dunkle Erinnerung. Gustav hatte indessen Fräulein von Fleurieu gesehen und sich in sie verliebt. Außerdem berichtete man, daß er alle Nächte, ohne Wissen ihrer Mutter, mit der Geliebten unter den Alleen des Parks, der