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Ncuerungssüchtler und Ideologen von Rohrbach. Hier vernahm man die lästerlichsten Reden gegen die städ tische Noblesse, welche blos den Bock sregucntirte, und Spindel, wegen des ewigen Pumpus, so die Radikalen bei ihm anlcgtcn (wo gebe es überhaupt einen Radikalen, der Geld und Gcldeswcrth be säße?), gleichfalls den Unzufriedenen angehörcnd, schürte aus Heibcskräften die Flamme des Mißmuths gegen die Begüterten, und namentlich gegen seinen Todfeind, welcher im Bocke, wie in einem reichen Hamsterbaue, zwischen kolossalen Töpfen voll Gänse fett saß. Der Bockwirth blickte mit aristokratischer Nach lässigkeit auf den dürren Schlucker, seinen Herrn Kollegen herab; aber im Innern wurmte ihn dessen neues Etablissement um so grimmiger, obschon er an den aus den Bock nach den Storch ausgewan- derten Ideologen wenig verloren hatte. Sein Grimm aber erreichte den höchsten Grad, als selbst einige solide Frachtsuhrlcute den luftigen Genossen folgten, und im Storche Herberge nahmen. Bei Herrn Spindel knippen ferner alle Gänsc- seinde und die gesammte städtische Opposition, die sich nicht wenig über die lebendigen Braten, welche tagtäglich vor dem Storche umherschnattcrtcn und die sämmtlich der wohlhabenden Aristokratie ange hörten, ärgerten. Die Opposition hatte weder zu Hause noch auf dem Markte über eine Gans zu ge bieten, und ihre Wuth gegen diese Kraniche des Jbicus war daher nicht so schwer zu erklären. S p ind el selbst hatte nur drei Stück auf dem Markte gehen, welche überdieß gar nicht recht gedeihen woll ten, da sie aus einem gewissen schwer zu erklärenden Instinct von der wohlhabendem Aristokratie fort während geneckt und gebissen wurden. Sie blieben daher immer dürre und unansehnlich, wie ihr Herr, und sahen recht ruppich aus. So standen die Sachen, als eines Tages in einem staatlichen Rcisewagcn ein Herr vor dem Gast haus zum Bocke vorsuhr, welcher, nachdem er ab- gcsticgcn und ein Zimmer verlangt hatte, sich von den besten Speisen und Getränken austragcn ließ. Der Reisende gab sich ein so vornehmes Ansehn, als ob das Gleichgewicht von Europa in seinen Händen ruhe. Der ganze Bock geriet!) über die seltene Erscheinuirg in cvnvulsivische Bewegung, denn ein Fremder in eigener Equipage gehörte in Rohr bach zu den außergewöhnlichen Erscheinungen. Herr Maus, um der Sache ja das größtmöglichste An sehn zu verleihen, bewegte sich, so sauer es seiner schwerfälligen Constitution auch ward, in höch- eigener Person vor die Hausthür seines Gasthofs, und ertheilte mit einer utriirten Pantomimik, damit sie ja auf dem ganzen Markte bemerkt werde, dem Hausknechte die nöthigen Befehle beim Ausspannen des fremden Rosses; der Wagen selbst wurde unter großem Geräusch und Zubereitungen und mit einer wahren Zeitverschwendung nach dem innern Hosraum befördert, worauf sich Herr Maus in Staat warf, um dem Fremden seine Aufwartung zu machen. Die weitschweifigen Demonstrationen, welche von Seiten des Bockwirths mit dem angekommenen Wa gen vorgenommen worden waren, hatten die Auf merksamkeit der Opposition, welche zu allen Fenstern aus dem Storche herausguckte, in gerechtem Maße in Anspruch genommen, und Herrn Spindel's Antlitz mit der blaßgelben Farbe des Neides überzogen. Unterdcß hatte Herr Maus seinen weitschößigen Safransrock, welchen er nur bei feierlichen Gelegen heiten zu tragen pflegte, angezogen, und begab sich nach dem Znnmer des angekommenen Gastes. Dieser war soeben mit seiner Mahlzeit zu Ende, und saß an einem Tische, auf welchen eine Menge Tabellen und gedruckte Pläne aufgehäuft lagen. Der Respekt des Bockwirths stieg bei diesem Anblicke um ein Bedeutendes; unfehlbar war der Fremde ein Abge ordneter der Regierung, welcher statistische Notizen über Rohrbach einzusammeln gekommen war. Herrn Maus kam dieß sehr gelegen. Erschmei chelte sich, mit den Rohrbacher Zuständen ziemlich genau bekannt zu sein, und wollte bei einer so günstigen Gelegenheit sein Licht nicht unter den Scheffel stellen, sondern vor den Leuten, und nament lich vor den Landesbehördcn, leuchten lassen. Aber wie groß war seine Verwunderung, als sich plötzlich der Fremde nach ihm umwandte, und ihn mit den Worten anredcte: „Wie steht's, wollen Sie sich nicht in die Lebensversicherungsbank einkaufen?" Das Städtchen Rohrbach lag so abgesondert von der übrigen bekannten Welt, und war wegen schlech ter Postverbindung und Mangel an Zeitungen so wenig vertraut mit den Fragen und Interessen des Tages, daß Herr Maus den fremden Frager ver dutzt ansah, und nichts zu antworten wußte. Der fremde Herr sah sogleich, wieviel Uhr es hier geschlagen hatte, und war so gütig, den Wirth