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152 er endlich, nach vielen dringenden Nachsuchungen, die Bastille. Man wollte ihn Wiedersehen; man hoffte, daß er seine frühere so unterhaltende Laune noch beibehalten haben werde, so wie seine geistreiche und beißende Spottsucht, welche ihm die Ehre der Bastillen- Bekanntschaft verschafft hatte. Aber ach, welche Umwandlung war mit dem Manne vorgegangen! In seinem Benehmen lag nicht mehr das nach lässige „Sichgehenlassen", das vormals zum guten Ton gehörte. Er war steif, wie Drahtpuppen, geworden. Der Chevalier erinnerte gar nicht mehr an seine sonstige Person; seine Kühnheit hatte der Furcht Platz gemacht; ängstlich maß er seine Reden nach der Persönlichkeit derer ab, zu denen er sprach. Bald erschien der Chevalier im schlimmsten Lichte, in welchem man erscheinen kann, im Lichte der Lächerlichkeit. Ein Wort vernichtete sein seit zwei Jahren alt gewordenes Ansehen völlig. Eines Abends befand sich der Chevalier von Tercy in der OoinüikiL-brnn^sise, in der Loge der Marquise von G...., die, seit Kurzem verheirathet, etwas bleich und leidend aussah. Die hübsche Mar quise, die sich sehr theilnchmend wegen der Geschichte des Chevaliers gezeigt hatte, versuchte, ihm einige Worte abzuringen. Da sie aber nicht dazu gelangen konnte, griff sie zu einem Mittel, das in der Regel von Erfolg ist, nämlich sich zu beklagen. „Ach, mir ist entsetzlich unwohl!" sagte sie mit kläglicher Stimme. „Mir auch," entgcgncte der Chevalier. Nach einigen Augenblicken begann sie aufs Neue: „Mein Kops brennt wie Feuer!" „Der mcinige auch," erwiederte Tercy. Die Marquise betrachtet ihn aufmerksamer und da sie ihn gemessen, kalt und ruhig dastehen sieht, ändert sie ihren Plan und nimmt Gelegenheit, sich zu amüsiren. „Ach," ries sie darauf aus, „ich habe furchtbares Herzweh!" „Ich auch — Herzwch." „Mir ist's, als sollten mir die Rippen brechen." „Mir auch — brechen." „Ich glaube fast, daß ich niederkommen werde." „Ich auch — nieder " Der Chevalier konnte das Wort nicht beendigen; denn das ausbrechende Gelächter, welches jetzt aus allen Ecken der Loge hervorschallte, übertönte seine Stimme. „Mein Echo!" rief die Marquise, als sie wieder reden konnte. Seit dieser Zeit führte der Chevalier den Bei namen: Herr Echo. M o il d a u f g a n g. Der Mond geht auf verstohlen sacht. Als war' es ihm verbotne Lust, Hinein zu leuchten in die Nacht, Die schlummert an der Erde Brust. Und wie er kommt, noch sichtbar kaum, Ein tief verschleiert Ncbclbild, Da regen leise sich im Traum Die langen Schatten im Gesild. Zum Wäldchen schlüpft er zaghaft bang, Die schlanken Birken sehn ihn nahn, Und zum verräth'rischen Empfang Zichn sie die weißen Kleider an. Auf steigen sie zum Hügelthron, Der schwillt in süßem Dämmerschcin, Und ringsum ahnet alles schon: Der König muß gekommen sein. Es flüstcrns Blatt und Blüthc traut, Dem Bache sagt's der Wasserfall, Und tief im Grunde kündigt's laut Mit Zauberklang die Nachtigall. Da trat er auf die freie Au', Die weithin von Smaragden blinkt, Denn jedes keusche Tröpflein Thau Bon seinem Gnadcnlichte trinkt. Die Hülle fällt, die länger nicht Gcheimnißvollen Dienst versieht, Und von des Reinen Angesicht, Ein leuchtend Silberwölkchen, flicht. Nun taucht er sich in's Bächlein hell. Das zögernd, zitternd weiter rinnt, — So badet sich im heil'gen Quell Ein gottgeweihtes Brama-Kind. Hoch über Höhn geht seine Bahn, Zahllos umkreist ihn Stern an Stern, Allwaltcnd schwebt er himmelan, Der Erde nah in weiter Fern'. Er schaut herab, ein Götterbild, In ruhevoller, sel'ger Pracht, Und liebkost mit Verklärung mild Die stille Träumerin — die Nacht. Julius Hammer. Druck von L. P. Melzcr in Leipzig.