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Wissenschaft ist die Heerstraße durch den Wald des überall wild auf schießenden Raisonnements. I, 385. Die Wissenschaft schreitet fort, wenn auch mit Unterbrechungen; ihr Interesse wächst, wie die Naturerkenntnis sich erweitert; und je sichtbarer die willkürlichen. Meinungen sich unter einander zerstören, desto gewisser wird das notwendige Denken sich zur Erkenntnis ausbilden. III, 51 t. Wer nicht denkt, für den bleibt vieles denkbar, was für den Denker un denkbar ist; und die Erfahrung führt ihn nicht darüber hinaus. I, 176. Die vollkommene Notwendigkeit, im Denken vorwärts zu gehen, findet sich nur da, wo das, was man schon denkt, sich selbst aufhebt. IV, 46. Wo Verwunderung ist, da ist auch Antrieb und Stoff zum weiteren Denken. XII, 511. Nun können wir gar nicht leugnen, daß es Menschen genug giebt, deren Nachdenken wirklich, auch sogar bei gegebenen Widersprüchen stillsteht. „Ihr werdet (sprechen sie), die Natur doch niemals ergründen; und den Streit der Systeme niemals schlichten« Wenn die Trägheit sich so ausspricht, so will sie nicht von der Stelle; und dann ehren wir die Rechte dieses Willens. Niemand darf von dem andern gezwungen werden, zu denken. IV, 47. Wie es Kinder giebt, die nicht verstehen zu spielen, so giebt es Männer, die nicht Sorge tragen mögen, ihren Gedanken freie Bewegung zu schaffen. Solche sind es, welche, wo ein Vorurteil schwindet, klagen, man beschränke ihre Freiheit. Klagte doch Schiller einst, das Christentum habe den Olymp ver dorben! Andere lassen sich dergestalt vernehmen, als hätte ihnen Copernicus den Himmel geraubt und sie dadurch in poetischen Launen gestört. Noch andere beschweren sich, die Natur verliere über der Physik das Wunderbare; als ob dessen nicht genug übrig bliebe. Sie verstehen nur nicht, sich am rechten Orte zu wundern. II, 394. Mit unbegreiflichen Anschauungen sich der Philosophie in den Weg zu stellen, das ist vielmehr die Weise der Ungebildeten, die über den Philosophen triumphieren, wenn sie ihm nachweisen können, er sei nicht allwissend. Von solchen bessere und schärfere Untersuchung zu erwarten, ist freilich vergeblich; sie gefallen sich in ihrem Nicht-Wissen, und sind böse, wenn ein anderer zum Wissen zu gelangen strebt. III, 424. So geht's, wenn Ansichten, im vornehmen Tone Anschauungen genannt, die Stelle der Untersuchung einnehmen wollen. Da verwischen sich die Grenzen der verschiedenen Disziplinen, weil die Disziplin des Denkens ver loren ging. IX, 335. Wie es leicht begegnen möchte, daß der Unruhige, ja der Reuige besser wäre denn der Selbstzufriedene: so dürfte auch der, welchen noch die Miß helligkeiten der Begriffe quälen, gar oft von der Wahrheit nicht so fern sein, als der Seher, dem das Universum wie eine Flur vor Augen liegt. Viel Standhaftigkeit gehört dazu, jene Qual zu ertragen. Viel Stärke sind Ge duld, durchs Denken die Gedanken, durch die Gedanken sich selbst zu berich tigen. Der Irrtum aber, den der Zweifel verläßt, ist ein bergahrollend Rad, das mühelos verwüstet und bald Ruhe findet unter Trümmern. I, 463. Es giebt auch eine notwendige Duldung verschiedener Meinungen; und eine aufrichtige Achtung für edle Gefühle, die viel weiter reicht und dem Leben