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noch ehe sie zerbrechen, schaden, sie durch veranlaßte Selbsttäuschung; denn man verhehlt ihnen die kleineren Übertretungen. Aber dem Zartgefühl ist nichts zu verhehlen, es ahndet das Kleinste, wie es das Größte zurücktreibt; es läßt nie eine Gewohnheit entstehen, sich ein- für allemal gewisse Arten der Falschheit zu verzeihen. VIII, 66. Des Menschen Stolz ist die aufrechte Stellung; der Blick zu den Sternen, und in die, Vernunftwelt; die Erkenntnis des Notwendigen und des Schönen, womit er sich entrafft der Verwandtschaft mit den Geschlechtern der Tiere und sich befreit vom Dienste des Moments, dieses Sklaven des sich selbst ungetreuen Wechsels. Schlechte Gesellschaft und undankbare Arbeit zugleich bereiten uns die Begierden des Entbehrlichen, die Wünsche des Allzuentfernten, die Grillen, Launen, Leidenschaften aller, wie der traurigen, so der lachenden Farben. Lvszukommen von diesem Haufen, einzukehren in die innerste Heimat, das eigene Selbst zu ergreifen, und einzig ihm und in ihm zu leben, welche Entfesselung, welche Reinigung, — welches erquickende Bad in dem Meere der Freiheit. VIII, 33. Es ist eine herrliche Sache um ein zartes Gefühl, das den Unterschied des Gewichts der verschiedenen Verhältnisse richtig angiebt, die Rücksichten, welche einem jeden zukommen, wohl abmißt und, sowie es überhaupt das Leben leitet, auch im Gedränge der Ansprüche, die manchmal sich streiten um dieselbe Zeit und dieselbe Kraft, den leidlichsten Ausweg aufzuspüren, und ihn mit möglichster Schonung dessen, was zur Seite liegen bleibt, zu verfolgen weiß. VIII, 30. Wollen, ohne zu hoffen! Gewiß, die Hoffnung wird immer blei ben, und das menschliche Dasein erheitern. Sie wird auch dem Tugend haften und seinen liebsten Wünschen Gesellschaft leisten. Jedoch das eigent lich feste und in sich starke Wollen ist gerade das, was die Gesellschaft der Hoffnung ausschlägt. Es will den Versuch. Diesen will es, gefaßt auf jeden möglichen Ausgang. Je reiner die Resignation, womit ein Werk beginnt, desto reiner und vollständiger sammelt sich das Gemüt sowohl für die Betrachtung der Jdeeen, als für die Erwägung des Möglichen und Zweckmäßigen. III, 59. Der Wert der Arbeit wird keineswegs bloß und ganz durch ihr Produkt, als Gewinn, bestimmt, sondern sie kommt auch als Beschäftigung zur Ab wendung des Müßiggangs, als Pflanzschule guter Sitten, in Betracht. II, 105. Jeder Kunst entspricht ein eigentümliches Gewissen. Der Künstler lobt sich selbst für das, was ihm, seiner Meinung nach, gelang. Gesetzt einmal, es werde einem dies Selbstlob gleichgültig: was wird folgen? Offenbar dies, daß er, wie es nun eben komme, schlechte oder gute Arbeit liefert. II, 96. ....das gedankenlose, halbträumende Lesen, woran manche durch eine Un zahl von schlechten Büchern, die nicht anders gelesen werden können, sich gewöhnt haben; wie sie durch ihre ewigen Mißverständnisse verraten. VI, 15. Der Geschmack an echter, dauerhafter und wahrhaft kunstreicher Ware schließt sich dem richtigen sittlichen Gefühle weit näher an, als die Neigung zum Behelf mit schlechter, grober, oder mit bloßem Glanze täuschender Ware. II, 105. Wem es Ernst ist, sich selbst so viel möglich in seine Gewalt zu be kommen, der hüte sich vor allem vor der Verblendung durch falsche Theorieen, welche ihm seine eigene Freiheit größer darstellen, als sie ist. Diese ver-