verschieden und mannigfaltig wie die Mannigfaltigkeit der Klänge und Geräusche selbst, da jeder Vorgang von einem charakteristischen'Ge räusche begleitet ist. Dieses genügt dem Hörenden darum oft, um aus ihm das Wesen der Dinge zu erkennen (am Tone das Instrument, am Klange des Schlages das Material, aus das der Hammer nieder fällt, an der Sprache die Person, ja sogar deren Gemütsstimmung, an der Stimme die Art des Tieres, am Rauschen die Stärke des Gewässers oder Windes rc.). Kein Sinn erschließt uns darum so das innere Wesen der Dinge wie das Ohr. Eine besondere Wichtigkeit bekommt das Gehör dadurch, daß wir durch das Ohr auch eine Anschauung von dem zeitlichen Wechsel der Eindrücke bekommen; es wird dadurch zum genauesten Zeitsinn. Prof. Wundt findet ja „die Disposition zu einem regelmäßigen rhyth mischen Wechsel der Bewegungen schon im Baue der Bewegungs werkzeuge selbst begründet"; aber er sagt zugleich: „in der Feinheit, mit der es die Schritte der rhythmischen Bewegung auffaßt, übertrifft dann unser Ohr weit die ursprünglichen Bewegungsgefühle. Es unter scheidet einesteils Zeitteile, die bei der eigenen Bewegung nicht ent fernt mehr wahrnehmbar sind, noch deutlich als die Bruchteile eines Taktes, und es vermag andererseits in Rhythmen sich zu vertiefen, deren langsamer Fortschritt in der Bewegung unseres Körpers nicht mehr nachgebildet werden kann". Daß unser Körper ohne durch das Ohr fast keine Antriebe zu rhythmischen Bewegungen findet, sehen wir auch an den Bewegungen der Gehörlosen. Wie sehr aber die Gehörs eindrücke regelnd auf unsere Bewegungen einwirken, zeigt sich beim Taktschlagen, beim Marsche und Tanze nach dem Klange der Musik. Die Wirkung dieser rhythmischen Gehörseindrücke ist dann so stark, daß sie den Menschen „in die Beine" fahren und es schwer ist, ihnen zu widerstehen. Die durch das Gehör angeregten rhythmischen Ein drücke wirken aber dann weiter auf das ganze Gemüt, das Denken und Thun. Jeder Turnlehrer und Turner weiß, daß durch die Art und Weise des Befehls die rhythmische Ausführung der Übungen sehr erleichtert, aber auch erschwert werden kann. -Mancher Offizier ver schuldet die „schlappige" Ausführung der Übungen von feiten seiner Untergebenen durch seine wenig „schneidige" Befehlsweise. Bei manchen Tonkünstlern erfassen während des Dirigierens die rhythmischen Bewegungen den ganzen Körper. Das Ohr hat nach Wundt aber auch einen hervorragenden Anteil an der Ausbildung unserer Zahlvorstellungen. Von größter Be deutung jedoch ist der Gehörsinn für die Entwickelung unserer Sprache; er ist zugleich Sprachsinn. Denn die Sprache kann sich ohne Gehör nicht selbständig entwickeln; das sehen wir an jedem Taub stummen. Die Sprache aber ist nicht nur das Mittel für den geistigen Verkehr und für die Verständigung mit der Außenwelt, sondern auch der Mittelpunkt des ganzen menschlichen Geistes- und Gemütslebens