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1. Zur Vorbereitung siehe auch Heft III, Seite 2. — Jeder Landmann weiß, daß er, wenn er seinen Acker ertragsfähig erhalten will, ihm die Stoffe, welche demselben durch den Fruchtanbau ent zogen worden sind, auch wieder zuführen muß; er düngt ihn. Der Dünger muß die entzogenen Stoffe (hier besonders Ammoniak, Phosphor und Kalisalze; denn Wasser und Luft giebt die Natur) nicht nur in genügender Menge, sondern auch entsprechend vorbereitet (aufgeschlossen, daß sie in den Boden übergehen) enthalten, sonst verödet der Acker. Ganz ähnlich muß der Stoffverlust, welchen der menschliche und tierische Körper durch seine Lebensthätigkeit erleidet, durch Zufuhr neuer Stoffe ersetzt werden. Ein geistreicher Engländer sagt: „Das hungernde Schaf ist eben sogut ein Fleischfresser, wie der reißende Löwe." Das soll heißen: Der tierische und menschliche Körper erleidet durch eine in seinem Innern fortwährend stattfindende, einer langsamen Verbrennung ähn liche Umsetzung der Stoffe, die zu jeder Körperthätigkeit notwendig und nicht nur die Erzeugerin der Ausscheidungsstoffe, sondern zu gleich die Hauptquelle der Körperwärme ist, einen ununterbrochenen Verlust an Stoffen, und wenn nicht für regelmäßige Zufuhr von außen gesorgt wird, verzehrt er sein eigenes Fleisch. Diesem Ver luste vorzubeugen, treibt das Tier und den Menschen nicht etwa die Erkenntnis der Notwendigkeit, nicht die Aussicht des Genusses, sondern allein der Hunger. Wie das Läuten der Klingel dem Müller an zeigt, daß es an der Zeit fei, frisches Getreide auf den leergelaufenen Gang zu schütten, so meldet der Hunger unserm Bewußtsein, daß es im Körper keine Nährstoffe mehr zu verarbeiten giebt, daß die Ge webe unseres Körpers anfangen, sich selbst aufzuzehren. Der Hunger ist der einfachste und mächtigste aller Triebe, wohlthätig und furchtbar, erhaltend und zerstörend zugleich; siehe - die Sprichwörter Heft III, S. 2. — Über die Entstehung und den Sitz des Hungers giebt es sehr verschiedene Ansichten. Die gewöhn lichste Ansicht ist die, daß das Gefühl des Hungers durch Leere des Magens erzeugt werde. Doch steht dem entgegen, daß das Anfüllen des Magens mit unverdaulichen Stoffen den Hunger keineswegs be seitigt und daß manche Nervenleidende sofort nach eingenommener Mahlzeit das Gefühl des Hungers (Heißhunger: eine plötzlich ein tretende heftige Eßlust, verbunden mit Übelkeit, Schwäche, ja Ohn macht) haben können; auch wird der Hunger gewöhnlich erst gespürt, nachdem die Speisen schon längere Zeit den Magen verlassen haben. Auch die Meinung, der Hunger entstehe durch den Reiz, welchen die Ansammlung von Magensaft in den Drüsen des leeren Magens auf diesen ausübt, läßt sich schwer beweisen. Jeder Mensch weiß aber aus eigener Erfahrung, daß man nach rechtzeitiger und genügender Aufnahme guter Nahrung guter Dinge ist, ein angenehmes Behagen und Kraftgefühl empfindet, sich dagegen im Zustande des Hungers