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Reden und Handeln, diese Liebe zur Freiheit sucht nickt muth- willig Streit zu erregen, sondern kämpft nur dort, wo sie ihr edles Streben gehindert sieht, sei es von den Scheinliberalen, sei es von den Buchstabenleuten. Sie schwingt die blanke Waffe des Geistes nicht um zu verwunden, sondern um zu heilen, um drohende Schäden zu vernichten. Nur Männer von Grundsatz, von Muth und Entschlossenheit können in die Reihen ihrer Vor kämpfer treten und deshalb ist die Anzahl dieser Streiter so klein. Ueberall aber, wo diese Liebe zur Freiheit sich zeigt und Hand an ihr gutes Werk legt, wo sie zu dem Volke redet, sucht sie nicht aufzureizcn, sondern zu belehren. Mancherlei Mittel gäbe es, ihrem Bemühn Fortgang und Gedeihen zu verschaffen, wenn nur alle Wohlgesinnten das Herz ihr öffnen und ihrem Ver langen Gehör geben wollten. Das Erste, was die besitzen und beweisen müssen, die bereit sind für die Wahrheit einzustehen, ist Aufrichtigkeit! Mit tiefem Bedauern möchte hier jeder Freund des Guten einstimmen in den Ausrnf Kant's: „O Aufrichtigkeit! du Asträa, die du von der Erde zum Himmel entflohen bist, wie zieht man dich (die Grundlage des Gewissens, mithin aller inneren Religion) von da wieder zu uns herab? Ich kann es zwar einräumen, wiewohl es sehr zu bedauern ist, daß Offenherzigkeit (die ganze Wahrheit, die man weiß, zu sagen) in der menschlichen Natur nicht ange troffen wird. Aber Aufrichtigkeit (daß alles, was man sagt, mit Wahrhaftigkeit gesagt sei), muß man von jedem Men schen fordern können"^). Vor Allem in Bezug auf religiöse Dinge muß die Berech tigung solcher Forderung gelten und die vorzüglich sind sie zu er füllen verpflichtet, welche als Leiter und Lehrer des Volkes nach dieser Seite hin bestellt sind. Ihnen ist auch reichlich Gelegenheit ') Kant, Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Gc- sainintwcrke. IV., 289.