oder allermindestens Beachtung und rechte Würdigung verdient. Nicht jeder fromme Christ, der an dem Hergebrachten festhült, der fleißig die Kirche besucht und der daheim betet, ist ein „Mucker". Nicht jeder strenggläubige Pastor oder Professor ist ein Heuchler, oder ein beschränkter Mensch. Viele, und wenn sie noch so sehr am Buchstaben hängen, thun dies aus wahrer Ueberzeugung — und wer will seinen Mitmenschen dieses Recht der freien Ueber zeugung absprechen? Mögen auch eine Anzahl nur aus Gewohn heit gute Christen sein; genug, sie sind's und reden und han deln, wie sich's für Christen geziemt. Niemand kann ihnen einen Vorwurf machen. Vor Allen zeichnen sich die sogenannten „pietistischen" Kreise durch große Aufopferungsfähigkeit aus. Sie üben eine unermüd liche Kranken- und Armenpflege, haben zahlreiche Wohlthätigkeits- anstalten gegründet und erhalten dieselben mit Fleiß und Aus dauer. Wer dies nicht anerkennen will, schlügt der Wahrheit in's Gesicht und kann sich der Freiheit, der Vorurtheilslosigkeit seines Denkens bestimmt nicht rühmen. Es ist ein häßlicher Fehler gewisser Orthodoxer,' Alles zu verdächtigen, Alles zur Gottlosigkeit zu stem peln, bisweilen sogar mit frommer Wuth anzufallcn, was nur einen freien Gedanken in sich birgt, oder auf eine Aenderung des Alten hindeutet. Der wahre ächte Liberalismus wird solche Be schränktheit, solches Befangensein in der eigenen Meinung nicht hegen, und nicht nur die guten Seiten des Gegners willig aner kennen, weil jedes Gute ihm Freude macht, er finde es, wo es sei; sondern auch bemüht sein, die Mängel an sich und den Ge nossen zu entdecken und zu verbessern. Er verschmäht es nicht, von Jedem zu lernen, weil er keinen Menschen und daher sich selbst auch nicht für unfehlbar hält. Mit Widerwillen erfüllt es ihn, die einzelnen christlichen Kirchen sich bekämpfen und anfcinden zu sehn, anstatt daß jede ihre eignen Gebrechen zu verbessern und jede nach ihrer Art wahre