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38 zu nehmen, deshalb meint man, Gott müsse die Bösen vernichten oder doch ewig verdammen. Aber unmittelbar daneben nimmt man selbst es wieder unendlich leicht mit der Strafe. Man träumt davon, daß sie könnte erlassen werden. Gott verhängt sie, Gott erläßt sie. Als > wenn nian nicht damit Gott überhaupt verloren hätte. Der strafende Gott, d. h. ein Gott, der in einem besonderen Entschluß, in einer be sonderen Thal zu strafen übernimmt, das ist einfach ein ungöttlicher Gedanke. Versteht man es recht, so muß man sagen: Gott straft über haupt gar nicht. Er ist lauteres Licht, reine, allmächtige Liebe, reines Ja, gar nicht Nein. Er läßt seine Sonne aufgehn über die Bösen und Guten. Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden. Sein Wesen besteht darin, sein eignes Leben in immer wachsender Fiille an die Welt dahin zu geben, damit die Welt immer mehr die Offenbarung seiner Herrlichkeit werde. Daraus ergiebt sich die Strafe des Bösen ganz von selbst, als unwillkührlich eintretender Nebenerfolg. Es ist das Wesen des Bösen, Gott, dem Guten, dem einzigen Quell des Heils, sich nicht bloß zu verschließen, sondern selbst zu widersetzen. Die Hölle, die Qual des Bösen, ist nichts anderes als der unendliche Schmerz, der jedem Conflict mit der nimmer rastenden, der unaufhaltsam wachsenden Liebe Gottes entspringt. Die Liebe ist und bleibt Liebe, Segen; aber ihr Walten wird als die schmerzvollste Strafe von dem empfunden, der sich ihr widersetzt. Das ist schon in menschlichen Verbältnissen zu beobachten. Wir können es leicht ertragen, wenn der von uns Ge kränkte zürnend sich wider uns wendet. Vergilt er Böses mit Gutem, sammelt er feurige Kohlen auf unser Haupt, dann fühlen wir uns vernichtet. So ist das strafende Walten der göttlichen Liebe zu denken. Es ist die Liebe, die schonungslos straft, indem sie segnet und nur segnen will. Sie straft nicht um zu bessern, was die Strafe in bloße Züchtigung abschwächen würde. Sie liebt, um zu segnen; und eben das wird zum Gericht. Aber das Segnen ist Zweck, nicht das Strafen; darum ist dies eine vorübergehende Erscheinung, jenes nicht. Durch all diese Erörterungen hat sich uns der Begriff der Gerechtigkeit er schlossen. Ms gerecht erweist sich Gott dadurch, daß er mit dem Guten in gleichem Maße die Seligkeit in den Herzen mehrt, während der Conflict, in den sich der Böse mit der schöpferischen Liebe Gottes setzt, als der quälendste Schmerz empfunden wird, der gleichmäßig wächst wie das Böse selbst. Die Gerechtigkeit verhält sich zur Heiligkeit wie die Allwissenheit zur Allgegenwart. Die Heiligkeit offenbart sich in uns