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.87 inan auf gut Jüdisch, nicht als die unablässig wachsende Schöpfung des Guten, die alles Böse in sich absorbirt, sondern als ein summa- risches Verfahren dargestellt, das mit den Bösen kurzen Prozeß macht, - sie abthut oder doch in einem Höllcnschlund vor dem Anblick Gottes verbirgt. Wenn solche Dinge als Christenthunf ausgegeben werden, dann kann man sich nicht wundern, daß die Herzen sich vom Christen- thum abwenden. Ertragen kann Gott das Böse allerdings nicht. Wie kann es auch ein Vater ertragen, daß sein Kind an das Verderben sich dahingiebt? Aber, daß er es nicht ansehn, nicht tragen könne, daß er um seiner Heiligkeit willen die Bösen hinweg räumen müsse, woraus soll denn das folgen? Er läßt seine Sonne nufgehn über Böse und Gute. Und nach Christo besteht doch eben darin die Vollkommenheit Gottes, daß er wandellose Liebe ist. Und dadurch werden wir ihm ähnlich, daß wir, auch die Feinde liebend, sie einführen in Gottes Reich. Richt dadurch, daß wir ihre Sünde als nichts ansehen, sondern indem wir eben alle Kraft einsctzen, sie zu überwinden. Und warum soll denn Gott die Sünde nicht sehen, warum nicht warten und ringen können, bis alle Seelen ihm endlich gewonnen sind? Sind denn nicht tausend Jahre vor ihm wie Ein Tag? So wird er doch wohl an keine Frist gebunden sein. Oder sollte endlicher Menschen endliche Sünde seine eigne unendliche Seligkeit trüben? Man hat überhaupt gar keinen Gott mehr, sondern einen ohnmächtigen Götzen, kommt man auf solche Thorheiten. Man sagt uns: es widerstreitet der Heiligkeit Gottes mit Unheiligen in Beziehung zu treten. Aber warum? Den Menschen hat Christus die hochmüthige Prüderie, die den Sündern sich entzieht, ver wiesen durch das ewig denkwürdige Wort: die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. Sollte die göttliche Liebe anders denken? Ist nicht die Liebe Christi die zutreffende Offenbarung der göttlichen Liebe? Oder könnte die allmächtige Heiligkeit Gottes in Gefahr kommen, tritt sie ein in unheilige Herzen? Mit dem Unheiligen im Menschen knüpft Gott natürlich kein Band der Gemeinschaft an, sondern mit dem, was auch in den Bösen noch göttlicher Natur ist. Man bedenke doch, daß es immer noch Gottes eignes Leben ist, dem auch die Bösen ihr Dasein danken, daß also auch in ihnen noch ist, was Gott lieben und retten kann. Gott läßt nicht von Gott, das ver bürgt uns die Rettung aller. Natürlich nicht, ohne daß dem Maß der Sünde das Maß der wohlverdienten Strafe entspricht. Um es recht ernst mit der Strafe