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21 nur durch Leden, Natur nur durch Gott überwunden. Der Beweis ist dec vollendetste von allen. Er beruft sich auf die unmittelbare Erfah rung von dem Walten Gottes in der Menschenseele. Er zeigt Gott in seiner höchsten Offenbarung, als die Liebe nänilich, die uns zu ihrem Leben emporzieht und entfaltet. Mit Unrecht hat inan diesen Beweis in zwei gespalten. Mau hat auf das Gesetz hingewiescn, das im Gewissen sich bezeugt, und auf die Thatsache, daß die Religion, die Liebe zu Gott, als eine nngeborne Lebensrichtung der menschlichen Natur erscheint. Allerdings können die Gegner sich nicht darauf berufen, daß das Gewissen im Lauf der Zeiten erst sich entwickelt, daß es, wie auch die Religion, verdunkelt wird und ganz zu schwinden scheint. Das Werden ist das Wesen der Welt; und das Böse widerlegt den Ursprung der Welt aus dem Guten ebenso wenig, wie das Uebel die Herrschaft des Zwecks und der Weisheit auf hebt. Die Welt ist auch das sittliche Ideal nur in wachsender Ent faltung und darum in unvollkommener Erscheinung. Nur Gott selbst ist das von Anfang an verwirklichte Ideal, eben die Liebe. Also diese Einwände gelten nicht gegen unseren Beweis, auch nicht gegen den zwie spältig getheiltcn. Aber die Scheidung von Religion und Gewissen ist zu verwerfen. Die Religion wird dabei abgelöst von ihrerBeziehung zurSitt- lichkeit, und das Gewissen erscheint nur als Gesetz, „kategorischer Impera tiv", zu dessen Begründung und Ableitung eine „sittliche Weltordnung" genügt und der heilige Liebewille nicht erforderlich ist. Aber das Ge wissen ist anch gar nicht bloßes Gesetz, sondern Kraft und Leben, der Zug unsrer wahren Natur zu ihrem vollendeten Ideal, zu Gott; es ist die Offenbarung der eingebornen Religion unsrer Seele. Man muß eben lernen, Religion und Sittlichkeit als Ein Leben zu erkennen, das nur das eine Mal in seinem Sein und Werden, das andre Mal in seinem Wirken aufgefaßt wird. So ist nun der Kreislauf der Beweise für das Dasein Gottes beendet und zugleich ein sichrer, unerschütterlicher Grund gelegt für eine Gotteserkenntniß, die ihre Schranken nicht überschreitet und doch alles in sich trägt, was der Glaube als solcher bedarf. Wir wissen unum stößlich: Gott ist Macht (Leben), Weisheit (Geist), Liebe (das Gute). Wie daraus die volle Gotteserkenntniß von selbst sich erschließt, davon später. Nur daran möge noch erinnert werden, daß man aus den Ergeb nissen der Untersuchung über das Dasein Gottes nicht etwa eine