Volltext Seite (XML)
infolgedessen auch das Haar in schräger Richtung aus der Haut her vorwachsen lassen. Man erkennt, daß der Verlauf der Haare von einigen wenigen Mittelpunkten (oder Wirbeln) ausgeht, von denen aus das Haar sich gleichsam wie in Strömen über den Körper ergießt (Kopfwirbel, Achselhöhle, Ellbogen rc.). In seltenen Fällen kann man zwei Wirbel auf dem Scheitel beobachten. An schönen männlichen Köpfen (vielen Porträten Tizians) bildet der Haarboden eine gegen die Mitte der Stirn sich verschiebende Zunge. Als erste Anlage der Haare finden sich Vertiefungen in der Haut, die sogenannten Haarbälge (Haartaschen, Haarsäcke). Sie dringen bei den feinen kurzen Wollhaaren, welche unseren ganzen Körper be decken, nur in die Lederhaut, bei den übrigen Haaren bis in das Unterhautzellgewebe, ja bei den Spürhaaren der Tiere sogar bis in die darunter liegenden Muskelschichten ein. In den Haarbalg münden seitwärts einige Talgdrüsen ein, deren Absonderung zum Einfetten des Haares dient. Jeder ausgebildete Haarbalg ist mit einer Schicht glatter Muskelfasern versehen, die von der Mündungsstelle des Balges zu seinem Grunde verlaufen und letzteren etwas gegen die Hautoberfläche zu heben vermögen. Bei plötzlicher Abkühlung (durch Wasser, kalte Luft) heben diese Muskeln, indem sie sich zusammen ziehen, die Haarbälge gegen die freie Fläche der Haut empor, so daß ihre Mündungsstellen als kleine spitze Höckerchen, ungefähr wie die zahlreichen kleinen Hügel, welche man an der Haut gerupfter Gänse erblickt, auf der Hautfläche sichtbar werden. Daher der Name Gänse haut. Ebenso bewirkt die Thätigkeit dieser Muskeln das Sträuben der Haare und macht, daß einem die Haare zu Berge stehen. Auf dem Grunde des Haarbalges bildet sich dann ein kleines, gefäß- und nervenreiches, nach oben kegelförmig zugespitztes, gestieltes Wärzchen (wie ein Rosenknöspchen), der Haarkeim, auf welchem sich das Haar bildet. Die Spitze des Keimes bedeckt sich mit einer Kappe gefärbter Zellen, die den Haarkeim umfassen und Haarzwiebel (Haarknopf) ge nannt werden. Sie strecken sich und schieben einander nach oben als Haarschast und Haarspitze, während die inneren Zellen das Mark bilden. Auf diese Weise schreitet das Wachstum des Haares fort, bis es seine ihm zukommende Länge erreicht hat. Dabei beginnt das Mark allmählich abzusterben und zu verschrumpfen (ähnlich wie die Seele der Feder) und dies setzt sich nach und nach zum Haar keime fort, bis dieser sich vom Grunde des Haarsackes ablöst. Das Haar hat damit seinen Halt verloren, so daß es sich dann bei einem an ihm wirkenden gelinden Zuge (z. B. beim Kämmen) vollends aus dem Haarbalge herauszieht. (Ein ausgerissenes lebendes Haar hat darum an seinem Wurzelende einen dicken Weichen Kolben, während das ausgefallene Haar daselbst dünn und zugespitzt ist und mit einem verschrumpften Knötchen abschließt.) Unterdessen hat aber in dem selben Haarbalge die Neubildung eines jungen Haares begonnen, nur