Volltext Seite (XML)
— 71 — einziges Mal bemerkt der stenographische Bericht: „Heiterkeit!", sogar die Rufe nach Schluß waren verpönt.) Begrüßung durch Legationsrat von Bülow, königlich preußischen kommissarischen Landdrost, Bürgermeister Boysen, Regicrungsrat von Rudloff; sämtlich in Hildesheim. Als erster Referent ergriff Realschullehrer Backhaus das Wort, welcher sich als Thema: „Charakterbildung" gewählt hatte. Er legte dar, wie Charakterbildung in der Bildung des Willens besteht, der sittlich und stetig sein müsse. Auf die Bildung des Charakters sei zu wirken durch Unterricht (Einwirkung auf die Erkcnntnissphäre) und Zucht (Einwirkung auf das Gefühl). Debatte: vr. Lange, vr. Zimmermann-Hamburg, Mörle-Gera, Handelsschullehrer vr. Keferstein-Dresden. Den sieben Thesen des Referenten wurde im allgemeinen zugestimmt. Hierauf entwickelte Hoffmann-Hamburg als Fortsetzung zu dem in Leipzig begonnenen, von Diesterweg vorgeschlagenen Referate die „Prin zipien, welche einer Schulgesehgebung in bezug auf den Unterricht zu gründe zu legen find". Nach längerer Debatte (Schulvorsteher Kippenberg-Bremen, Backhaus, LehrerPetsch-Berlin, Lüben,Pfarrer Riccke, Rektor Löw-Magdeburg, Zimmermann) wurden folgende Thesen angenommen: 1. Der Unterricht berücksichtige die körperliche und geistige Ausbildung. 2. Unterricht und Erziehung sollen ebensowohl die nationale, als auch die allgemeine menschliche Bildung fördern. 3. Der Unterricht sei nur beschränkt durch das Maß der Mittel und die Leistungsfähigkeit der Kinder. 4. Der Religionsunterricht verbleibt der Schule, bis er in den Konfirmandenunterricht übergeht. 5. Der Religionsunterricht der Schule bedingt keine besondere kirchliche Aufsicht. Den ersten Verhandlungsgegenstand des zweiten Tages bildete der auf acht umfänglichen Thesen fußende Vortrag des Stadtpfarrcrs I)r. Riecke aus Neuffen über: „Volksaberglaube und Schule." Referent führte aus: Der Aberglaube ist ein krebsartiges Geschwür unseres Volkes. Der selbe werde nicht gefühlt, bis die Strafgesetze aufgeboten werden müßten. Man habe schon versucht, ihn in bedenklichen und unbedenklichen einzuteilcn, aber es sei zwischen beiden keine Grenze zu ziehen, da jeder eine Versün digung am vernünftigen Menschengeiste darstelle. Es frage sich, ob alles Aberglaube — Wahnglaube — sei, was sich als solcher auf den ersten Blick offenbare. Manches wäre nur Irrtum. Dem Irrtum sei durch Belehrung beizukommcn; der Aberglaube kümmere sich um Widersinnigkeit nicht. Pflicht der Schule sei es, die Schüler so zu unterrichten, daß der Aberglaube keinen Boden finde, indem sie an ein eigenes Nachdenken und Nachforschcn gewöhnt werden, Einsicht in den vernünftigen Zusammen hang der Dinge bekommen und zu richtiger Gotteserkcuntnis geführt werden. Debatte: Lüben (erklärte, daß der Aberglaube durch Verwendung der Wundcrerzählungen im Unterricht Nahrung erhalte), Lange, Kippenberg, Schröder, Schuldirektor Michels-Hildesheim, Direktor vr. Möbius- Leipzig, Petsch. Über die Thesen Rieckes wird nicht abgestimmt. Einen weiteren Vortrag hielt Rektor Löw aus Magdeburg über