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66 Stadtpfarrer in Neuffen, früher Seminardirektor. Aus den elf Thesen seien als die wichtigsten ausgehoben These 4: „Unsere Schulen sind im ganzen darauf eingerichtet, den Schüler zu gewöhnen, sein Lerngcschäft mehr gedankenlos als denkend zu vollziehen — und These 5: Unter den Ursachen, welche die Gedankenlosigkeit begünstigen, stehen in erster Reihe: Man hilft zu viel beim Lernen, man begnügt sich zu viel mit nachgesprochenen Worten, man beruhigt sich so viel mit bloßem Gedächtniswissen. Die ani mierte Debatte (Schulinspektorvr. Clemen-Kassel, Hauptlehrer Spengler- Mannheim, Direktor Janson, Lehrer vr. Denhardt-Hanau, Lehrer Guericke-Schwelm, vr. Meier, vr. Lange) drehte sich um den Wert formaler und materialer Bildung; von einzelnen Rednern wurde das Über maß des religiösen Memorierstoffes als der Übung der Denkkraft hinderlich bezeichnet; die Forderung nach Fachaufsicht fand „lauteste, langandauernde Beifallsrufe". Die elf Sätze des Referenten erfuhren im allgemeinen Zu stimmung, nur in einzelnen Ausdrücken und in den Konsequenzen einzelner Sätze fand eine Verschiedenheit der Meinungen statt. Zum Schluffe des ersten Tages nahm die Versammlung einen kurzen Vortrag Prof. Stoys aus Jena über „UhlandS Pädagogik" entgegen. Der zweite Haupttag erhielt durch die Gegenwart und die Rede Sr. königlichen Hoheit des Großherzogs Friedrich von Baden eine erhöhte Weihe. Auf den Gruß des Präsidenten sprach der Fürst von seiner Loge aus mit kräftig erschallender Stimme, rasch und feurig: „Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen meinen herzlichen Dank aus spreche für den freundlichen Empfang, den Sie mir bereitet haben. Glauben Sie mir, daß ich tief gerührt bin von diesem Beweise freundlicher Ge sinnung, daß ich mit Ihnen die hohe Bedeutung einer solche» Versamm lung deutscher Männer tief empfinde und mit Ihnen aus voller Seele die Bestrebungen verfolge, die heiligen und hohen Bestrebungen, die Sie hierher geführt haben. Empfangen Sie nochmals meinen herzlichen Dank für den freundlichen Gruß, den Sie mir hier entgegengebracht haben, und erlauben Sie mir, daß ich Sie herzlich willkommen heiße in meinem tcuern Vaterlande!" Ein dreifaches Hoch „auf den deutschen Fürsten, der die Lehrcrver- sammlung würdigte, selbst in ihr das Wort zu ergreifen", war die Antwort auf diese huldvolle Ansprache. Hierauf hielt Lüben seinen Vortrag über „die Naturkunde in den Lehrerseminarien". Ausgehend von der Mangelhaftigkeit dieses Unter richtes in den genannten Anstalten bestimmte Referent zunächst den Um fang, in welchem er erteilt werden solle, dann die einzuschlagende Methode. An der lebhaften Debatte nahmen teil: Stern, Schulze, Schnell, vr. Schmidt, Oberlehrer und Redakt. Riegel aus Ladenburg, Janson, Schröder, Oberlehrer vr. Panitz-Leipzig, vr. Meier, Seminarlehrer Petersen aus Kaiserslautern — und Schulvorsteher Lohrer aus Mos bach, der gegenüber der angeblichen „Naturvergötterung" glaubte, die Re ligion in Schutz nehmen zu müssen, die niemand verunglimpft hatte. Den nächsten Gegenstand der Tagesordnung bildete vr. Wichard Langes