56 Entwicklung des Nationalgefühls ist vornehmlich Aufgabe der höheren Bil dungsstufen. 6. Die Schule kann und soll auf allen Gebieten des Unter richts für Wirkung der Vaterlandsliebe und des Nationalgefühls den Grund legen, indem sie den Boden des Vaterlandes zum Ausgang und Mittelpunkt des Wissens macht. 7. Alles Wissen von der Natur soll demnach von der Heimatkunde zur Vaterlandskunde und von dieser zur Erd- und Weltkunde fortschreiten. Der Unterricht in der Geschichte muß zwar von der vor germanischen Vergangenheit ausgehen, aber die vaterländische Geschichte muß den Mittelpunkt desselben sowohl für die allgemeine Weltgeschichte, wie für die Spezialgeschichte des engeren Vaterlandes bilden. 8. Die Muttersprache ist das höchste Produkt und unzerstörbare Band der natio nalen Gemeinschaft; ihre Pflege bildet daher die Hauptgrundlage der nationalen Erziehung. 9. Das Volk lerne deutsch reden und deutsch empfinden, deutsche Denker verstehen, deutsche Dichter lieben und deutsche Lieder singen, damit es sich bewußt werde, daß sein geistiges und sittliches Leben im Boden der deutschen Nation wurzle. 10. In keiner Schule soll die Erlernung fremder Sprachen begonnen werden, ehe nicht eine gewisse Sicherheit im Verständnis und im Gebrauch der Muttersprache gewonnen ist. — Ein weiteres Thema betraf „die Korrekturen der Schule". Referent Th. Hoffmann rechnet dieselben zu den größten Beschwerden des -Lehrerberufs und gab praktische Winke, sich dieselben zu erleichtern. — Ten letzten Gegenstand der Besprechung bildeten die „Redtülmngen und Vorträge der Schüler" (Referent Schulvorsteher Tiedemann-Ham burg), für welche sich die Versammlung in beschränkterem Sinne aussprach. — Außer den Hauptversammlungen sprach vor kleineren Kreisen: Hirsche über Schreibunterricht, Benfey über Erziehungsvereine; Pösche über Einführung des landwirtschaftlichen Unterrichts. — Als Disputanten traten während der Versammlung auf: Benfey-Göttingen, Pösche-Leipzig, Meier-Lübeck, Hirsche-Wolfenbüttel, Töpke-Braun schweig, Bofinger-Schwäbisch Hall, Rudolf-Köthen, Gerbing-Weimar, Tiedemann-Hamburg, Stern-Frankfurt a. M., Kfm. Hertz-Hamburg, Lau ckhardt-Weimar, Küntzel-Osmanstedt. An der Festtafel nahmen u. a. Dingelstedt, Liszt, Hoffmann von Fallersleben und Rank teil; dazu hatte Prof. Hoffmann von Fallersleben ein Lied gedichtet und Liszt komponiert. Nicht geringen Schrecken, ja peinliches Entsetzen brachte in die Ver sammlung die polizeiliche Nachricht, daß aus dem Schillerhause — zu dem den Versammlungsteilnehmern freier Zutritt gewährt worden war — die als Reliquie wertvolle Tabaksdose Schillers gestohlen worden sei. Ein Lehrer zeigte an, daß gleichzeitig mit mehreren Kollegen andere Fremde zugelassen worden wären. Sofortige Nachforschungen ermittelten — glück licherweise! — den Dieb der Reliquie. Er gehörte dem Lehrerstande nicht an. Die Ungeübtheit im Arrangement zeigte sich u. a. gelegentlich einer Abendversammlung: die Gäste mußten selbst behilflich sein, Lichter anzu zünden und Tische und Stühle herbeizuschaffen.