Volltext Seite (XML)
— 39 — übertragen; außerdem gehörten Schuldirektor Berthelt-Dresden und Lehrer Ritter-Tambach dem Präsidium an. Den ersten Vortrag hielt vr. Schulze-Gotha über „Schulgebete, — die Bedeutung derselben für die Schule und ihre Anwendung in der Schule". Nach kurzer Diskussion, an der Köhler aus Corbach, Griebner aus Suhl, Hörnig aus Markranstädt und Berthelt aus Dresden teilnahmen, erklärte sich die Versammlung ohne allen Widerspruch für das Schulgebet. Sodann entwickelte Diesterweg ,,die Grundsätze, welchen die moderne Volksschule huldigt". Als solche führte er auf: 1. All gemeine Menschenbildung; 2. religiöse Gesinnung; 3. sittliche Richtung des Menschen; 4. freie Entwicklung des inneren Menschen nach naturgemäßen Grundsätzen; 5. Entwicklung der deutschen Nationalbildung. Mit dem sehr beifällig aufgenommenen Vortrag schloß die erste Sitzung. Am zweiten Versammlungstage sollte die Diskussion über die „Grund sätze" beginnen. Oberschulrat vr. Rost-Gotha beantragte, den Referenten zu ersuchen, sich ausführlicher über den Begriff des mehrdeutigen Wortes „Nationalcrziehung", sodann über die Mittel dazu und deren Anwendung auszusprechen. Diesterweg that es in langer Rede, was einige verdroß! Unter Nationalerziehung, erklärte er, verstehe er Erziehung und Bildung zu denjenigen Eigenschaften, die man vorzugsweise deutsche nenne, und zu denen, die man unter den jeweiligen Zeitverhältnissen von einem deutschen Manne erwarte. Letztere seien heute andere als vor 200 Jahren, und es enthalte daher der Begriff Nationalerziehung ein sta biles und ein mobiles, mit den Zeitverhältnissen bewegliches Moment. Was die Mittel zur Erreichung einer nationalen Erziehung anlange, so sei die Hauptsache Erziehung von deutschen Vätern und deutschen Müttern, und diese werde befördert, indem man dem jugendlichen Geiste die vollkommen sten deutschen Produkte zur Nahrung gebe. Deutsche Geschichte und deutsche Litteratur seien die geeignetsten Mittel. Überdies müsse schon früh in der Jugend durch Wort und Beispiel der Gedanke und das Streben nach Einheit, Geschlossenheit und Stärke des deutschen Vaterlandes geweckt und genährt werden. Die in der Debatte kundgegebenen Ansichten (Behrens-Börßum, Benfey-Göttingen, Hörnig-Markranstädt, Ritter-Tambach) beruhten zum Teil auf Mißverständnissen; vr. Rost und Berthelt fanden in der rednerischen Teilnahme Dicsterwegs keine Befürchtungen für die Versamm lung; vr. Petersen-Gotha nahm die deutschen Frauen gegen Benfey in Schutz; Juch-Gotha und Löwenheim-Lengsfeld gaben Defini tionen vom Wesen der Nationalerziehung; in der Diskussion über die Mittel betonte Hoffmann-Hamburg das Wort deutsch, da man jetzt keine deutsche, sondern nur bayrische, sächsische, hamburgische rc. Geschichte wolle. Zuletzt wurden folgende Sätze mit Majorität angenommen: „Die deutsche Nationalerziehung und Bildung besteht in der Erziehung und Bildung zu den Charaktereigenschaften und Tugenden, welche vorzugsweise Deutsche' genannt werden, und zu der Befähigung der deutschen Natur, in die Ent wicklung der vaterländischen Interessen fördernd einzugreifen." (Diesterweg.)