— 95 — der Großherzog, welcher der Verhandlung bis zum Schluffe beiwohnte, ließ sich bom Präsidenten die einzelnen Mitglieder des Ausschusses vorstellen und unterhielt sich mit jedem einzelnen sowohl, als auch dem Abgeordneten der sranzöfischen Regierung (Inspektor Jost-Paris) in freundlichster Weise. Die entstandenen Befürchtungen, daß die jetzigen Lehrerverhältnisse an längst vergangene Zeiten erinnern, beruhigte der Fürst mit den Aufsehen erregen den Worten: „Ich glaube nicht, daß es so schlimm gemeint ist. Übrigens ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen." Derselbe verweilte in Unterhaltung mit einigen Herren aus der Versammlung, die er sich vorstellen ließ, noch bis 1 Uhr in der Festhalle. Am zweiten Haupttage redete Privatdozent vr. Wolff von Leipzig „über das Seelische im Kinde und die dadurch begründete Not wendigkeit einer allseitig logisch-psychologischen Durchbildung des Lehrers". Nach dem bedeutenden Vortrage entspann sich eine sehr an regende und lebhafte Diskussion, an der Halben, Debbe, Kleinert und Pfeiffer teilnahmen. Als Frucht der Verhandlungen gingen folgende Resolutionen hervor: 1. Die Bildung des Charakters im Kinde ist eine Hauptaufgabe der eigentlichen Schulthätigkeit. 2. Der Erzieher bedarf einer gründlichen logisch-psychologischen Durchbildung. 3. Logik und Psycho logie müssen daher im Lehrplan des Seminars gebührend berücksichtigt werden. Professor Höchstädter-Karlsruhe sprach hierauf über: „Dialekt und Schriftsprache." Referent will, daß in den Schulen nur hochdeutsch unterrichtet und gesprochen werde, und beantragte, zu erklären: „Es ist eine pädagogische, methodische und nationale Forderung, daß in der deut schen Volksschule von den Lehrern nur in hochdeutscher Sprache unter richtet, auch von den Schülern nur hochdeutsch gesprochen werde." Für eine bedingte Beibehaltung des Dialekts traten ein: vr. Meier, Behrens, Pfarrer Bähring und Pfeiffer; letzterer will den Dialekt in der Schule als Mittel der Verständigung und für die Sprachwissenschaft und die Re generation der hochdeutschen Sprache durch seine Plastik und originalen Reichtümer geachtet wissen und betont bei dieser Gelegenheit den Umstand, daß wir inimer noch keine gemeinsame Orthographie besitzen. (Diesbezüg liche Anträge finden Zustimmung.) Seminardirektor vr. Berger-Karls ruhe tritt für die These Höchstädters ein, welche auch beinahe einstimmig angenommen wird. In der dritten Hauptversammlung referierte Lehrer Funk-Marien- schloß (Strafanstalt in Oberhesscn) über „die Notwendigkeit der Kon zentration des Unterrichts in der Volksschule". Referent sprach warm und überzeugt über seine Thesen: 1. Der Unterricht in der Volks schule leidet in bezug auf Stoff an Übermaß. 2. Die Unterrichtsmethode ist zu vereinfachen und die Konzentration in den höheren Klaffen zu Pflegen —, sand aber zum Teil energischen Widerspruch (Halben, Heinrich, vr. Bar tels-Gera) mit dem Hinweis, daß zwar jede Vermehrung des Lehrstoffes gleichbedeutend sei mit Überlast der Schüler und namentlich des Lehrers, hinwiederum kein einziger Lehrgegenstand gestrichen werden dürfe. Das