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3. Unsere Muskeln bedürfen zu ihrer Ausbildung und Kräf tigung vor allem der genügenden Menge guten Blutes, welches durch gute, kräftige Nahrung und Bewegung in frischer Luft er zeugt wird. Durch beides wird der Stoffwechsel angeregt und der Appetit gesteigert; die Muskeln werden geübt, und der Schlaf wird fest und ruhig. Im jugendlichen Alter sind die Muskeln zwar elastischer, aber auch weicher und reizbarer als im späteren Alter. Im Jünglingsalter werden sie fester und erreichen im Mannesalter ihre größte Kraft und Ausdauer. Im höheren Alter schwindet diese wieder, und ihre Bewegungen werden zitternd und unsicher. Es wäre darum unvernünftig, von Kindern, Mädchen und Frauen ebenso schwere und anhaltende Arbeit zu verlangen als von Jünglingen und Männern. Schon beim Turnen wird ein Unterschied in den Übungen für Knaben und Mädchen gemacht. Darauf sehen aber weiter die Gesetze unseres Vaterlandes; denn nach der Gewerbeordnung sollen Kinder unter 14 Jahren nicht länger als 6 Stunden, junge Leute zwischen 14 bis 16 Jahren nicht länger als 10 Stunden täglich beschäftigt werden. Die Arbeitsstunden der jugendlichen Arbeiter sollen nicht vor 5^ Uhr morgens beginnen, nicht über 8^ Uhr abends ausgedehnt und durch regelmäßige Pausen unterbrochen werden rc. Auch schon in frühester Kindheit und dann im Schulalter werden den Muskeln häufig Anstrengungen zugemutet, denen sie nicht gewachsen sind, und die schlimmen Folgen, krumme und schiefe Beine, hohe Schultern und früh zeitiges Siechtum, bleiben dann nicht aus (siehe auch Heft II, die Rückgratsverkrümmung!). Ebenso nachteilig ist die Unthätigkeit der Muskeln; denn dadurch werden sie schlaff, verkümmern oder ver fetten. Infolge dieser Unthätigkeit treten aber auch Störungen des Blutumlaufs, der Atmung, Verdauung und Hautthätigkeit ein. Man findet dies besonders oft bei Leuten, die einseitig geistig thätig sind oder eine sitzende Lebensweise führen. Diesen ist eine regelmäßige körperliche Thätigkeit (Spazierengehen, Bergsteigen, Turnen, Rudern, Graben, Holzsägen und Hacken, Hobeln, Schlittschuhlaufen, Fechten, Reiten, Schwimmen, Bewegungsspiele in freier Luft) zur Abwechse lung dringend nötig. Darum stärkt der Kriegsdienst die Gesundheit und entwickelt einen kräftigen, schönen Körper; die allgemeine Wehr pflicht ist deshalb für die ganze Nation eine Wohlthat. Durch anhaltende, regelmäßige und verständige Übung können wir die Aus dauer, Kraft, besonders aber auch die Schnelligkeit und Be weglichkeit unserer Muskeln, wie schon oben erwähnt wurde, außer ordentlich steigern. Dies sehen wir an Seiltänzern, Kunstreitern, Wettturnern, Taschenspielern, Klavier- und Violinvirtuosen, Spitzen klöpplerinnen rc. Durch verständige Übung kann auch einseitiger Aus bildung der Muskeln vorgebeugt werden. Aus diesem Grunde ist z. B. das Turnen für die Landleute, denen es sonst gewiß nicht an Bewegung in freier Luft fehlt, sehr nützlich; es verbessert ihre Haltung und macht sie gewandter.