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punkte einander näher gerückt, also bewegt. Die Eigenschaft des lebenden Muskels, sich infolge der Einwirkung von Nervenreizen zu sammenzuziehen, heißt Zusammenziehungsfähigkeit (Irritabilität oder Kontraktilität). Die Größe der Verkürzung der Muskelfasern bei ihrer Zusammenziehung beträgt durchschnittlich 75 "/g, also bei kräftigen Muskeln 85 o/^ und darüber, also mehr als °/g der Länge ihrer Fasern. Ein solcher Muskel wird also bis auf seiner Länge zusammengezogen. Die Größe der dadurch erzeugten Muskelkraft eines erwachsenen Menschen ist nach E. Webers genauen Messungen 1087 § für jedes Muskelbündel, das 1 gem dick ist, z. B. für die Wadenmuskeln an beiden Füßen des Menschen 322,29 kx. Die Kraft der einzelnen Muskeln verglichen mit ihrem eigenen Gewichte beträgt daher das Zwei- bis Dreitaufendfache des letzteren. Bei der Arbeitsleistung der Muskeln kommt aber nicht allein die Zufammenziehungsfähigkeit, sondern auch ihre Elastizität in Be tracht. Jeder Muskel verträgt nämlich (wie ein Gummifaden) eine Ausdehnung und nimmt, wenn die Wirkung der ausdehnenden Kraft aufhöxt, seine frühere Gestalt wieder an. Die Muskeln sind nun meistens paarweise angeordnet und zwar so, daß sie in ihren Wir kungen auf die Teile des Knochengerüstes einander entgegengesetzt sind. Zwei solcher Muskeln, deren Wirkung einander entgegengesetzt ist, nennt man Antagonisten (Gegenmuskeln). Zieht sich der eine zusammen, so wird gleichzeitig der andere ausgedehnt. Hört dann die Verkürzung des ersteren auf, so tritt die Elastizität des letzteren in Wirksamkeit und bringt die Bewegung hervor, die der Wirkung des ersteren entgegengesetzt ist. Erst wenn die Elastizität des Gegen muskels zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes nicht genügt, tritt seine Zusammenziehungsfähigkeit ein. Auf diese Weise wird durch die Muskelelastizität willkürliche Muskelarbeit erspart. US. Jeder Muskel verträgt einen hohen Grad von Ausdehnung, wenn diese allmählich eintritt (z. B. bei Geschwülsten, Bauchwassersucht), und zieht sich wieder auf seinen vorherigen Umfang zusammen, wenn der Grund der Ausdehnung be seitigt ist. Diese natürliche Spannkraft der Muskeln bewirkt auch, daß bei Läh mung der Muskeln einer Seite das betreffende Glied durch die Spannkraft der Muskeln der anderen Seite nach dieser hin gezogen wird (bei halbseitiger Gesichts lähmung wird z. B. der Mund gegen die gesunde Seite verschoben). Mit der Thätigkeit der Muskeln ist zugleich ein Stoffwechsel, der hauptsächlich in Oxydation besteht und Wärme bildet, verbunden. Wie schon erwähnt wurde, sind die Muskelfasern von den Haargefäßen umsponnen. Muskelmasse und Blut sind also durch zwei feine Wände, die Haargefäßwand und den Muskelschlauch (snreolsimnn), voneinander getrennt. Da aber die gegenseitige Durchdringung von Flüssigkeiten oder Gasen (Diffusion) durch feine tierische Häute nicht gehemmt wird, so dringt von den Haargefäßen aus (siehe Atmung!) Sauerstoff und Blutflüssigkeit in die Muskelfasern ein, und es vollzieht sich so ihre