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26 Menschenkunde. oberen Wirbel eines Fensters. In das andere Ende knüpft man des besseren Fest haltens wegen einen Knoten, faßt dieses dann mit Daumen und Zeigefinger am Knoten und HM es dicht an das rechte Auge, während man das linke schließt. Sieht man jetzt mit dem rechten Auge den straff gespannten, gut beleuchteten Faden entlang gegen das Fenster, so nimmt man folgendes wahr: Dicht am Auge erscheint der Faden breit und wie in Nebel gehüllt; dann spitzt er sich allmählich zu, und wo er am schmälsten erscheint, erkennt man die Drehung des Gespinstes, ebenso ganz deutlich hervorstehende Fasern. Weiterhin werden die Fasern wieder undeutlicher, der Faden selbst wird wieder breiter, bis er zuletzt am Fenster aber mals in Nebel gehüllt erscheint. Die Strecke nun, auf welcher der Faden deutlich erscheint, ergiebt die Sehweite mit Nähe- und Fernpunkt, die man von einer an deren Person (vielleicht mit einer Feder durch Tinte) bezeichnen läßt. Durch diesen Versuch kann man erproben, ob beide Augen gleiche Sehweiten haben, was keines wegs immer der Fall ist. 6. Jeder Mensch, der ein gesundes Auge hat, vermag die Gegenstände in den verschiedensten Entfernnngen deutlich zu sehen. Es wird das nur dadurch möglich, daß die Linse ursprünglich zum Sehen in die Ferne ein gerichtet ist und beim Sehen in die Nähe ihre Vorderfläche stärker wölbt. Diese Fähigkeit unseres Auges, sich den verschiedenen Entfernungen der Gegenstände anzupassen, wird Anpassungsvermögen genannt. Durch das Alter und die Gewöhnung verringert sich diese Fähigkeit. Das Auge vermag die Linse entweder nicht genügend zu wölben und kann darum nur weiter entfernte Gegenstände deutlich wahrnehmen; cs ist dann weitsichtig; oder seine Linse ist zu stark gewölbt, und es vermag nur sehr nahe Gegenstände deutlich zu scheu; cs ist in diesem Falle kurzsichtig. Der Weitsichtigkeit wird durch Brillen mit doppelt gewölbten Gläsern abgeholfen, und der Kurzsichtige verbessert seine Sehfähigkeit durch Brillengläser, die auf beiden Seiten hohl geschliffen find. Das Gebiet, innerhalb dessen unser Auge auch kleine Gegenstände voll kommen klar steht, hcitzt seine natürliche Sehweite; seine Grenzen sind der Nähe- und der Fcrnpunkt. Bei Weitsichtigen liegt der Nähepnnkt zu fern und bei Kurzsichtigen der Fernpunkt zu nahe. 7. Zieht man von zwei einander gegenüberliegenden Grenzpunkten (oben und unten rc.) eines Gegenstandes gerade Linien nach der Mitte des Auges, so bilden diese hier einen Winkel, den man Sehwinkel nennt. Rückt ein Körper näher an das Auge, so wird sein Sehwinkel größer, bei seiner Entfernung kleiner. Ein Vogel, der sich in der Luft in gerader Linie von uns entfernt, erscheint uns darum immer kleiner, bis er zuletzt dem Auge entschwindet; dasselbe gilt von dem Zwischenräume zwischen zwei Körpern (lange Allee, langer Gang rc.). Unser Auge kann nur bestimmte Sehwinkel fassen; darum sehen wir Körper, die uns unter besonders großen Sehwinkeln in der Nähe entgegentreten, nur teilweise; die unter zu kleinen erscheinen, ver schwinden für das Auge. Bei welchem Winkel das geschieht, hängt von der Schärfe des Auges, von der Beleuchtung und von der Farbe des Gegenstandes ab. Die nach der Größe des Sehwinkels beurteilte Ausdehnung eines Gegenstandes nennt man zum Unterschiede von der