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Entfernungen erhalten, so muß man die Linse bei entfernteren Gegenständen zurück und bei näheren vorwärts schieben. Dasselbe könnte man auch dadurch erreichen, daß man eine schwächere Linse einsetzte für entferntere Gegenstände und eine stärkere, sobald es sich um Bilder von näheren Gegenständen handelte. Unser Auge ist nun, wie wir oben sahen, eine vorzüglich eingerichtete Dunkel kammer. Welche Einrichtungen sind in ihm nun zu dem Zwecke ge troffen, die Gegenstände in den verschiedensten Entfernungen wahrzu nehmen? Vorhanden ist die Fähigkeit; das zeigt uns die tägliche Erfahrung und folgender Versuch: Man nehme ein Holzstück (Lineal) von ungefähr 50 em Länge und stecke darauf ungefähr 15 em vom vorderen Rande eine starke Stecknadel (u) und in gleicher Richtung, nur ein klein wenig seitwärts, eine andere (b) 30 cm ebenfalls vom Rande aus gemessen. Legen wir nun das Auge an das vordere Ende des Holzstückes und richten den Blick an u vorbei zuerst auf die Nadel b, so werden wir diese ohne die geringste Anstrengung ganz deutlich sehen, zu gleicher Zeit aber u nur undeutlich, mehr oder weniger verbreitert. Versuchen wir jetzt das undeutliche Bild von u deutlich zu machen, so gelingt uns das ganz leicht, aber wir fühlen zugleich eine gewisse leichte Er müdung, gewahren aber auch, daß in demselben Verhältnisse, wie u deutlich wird, b nun undeutlich erscheint. Auch durch die größte Anstrengung wird es uns nicht gelingen, zu gleicher Zeit sowohl von u als auch von b ein deutliches Bild zu erhalten. F8. Man hat verschiedene Erklärungen für diese Erscheinung versucht. Man sagte, die Augenmuskeln drücken den Augäpfel zusammen und machen das Auge länger, oder die Linse wird nach vorn geschoben, oder gar die Regenbogenhaut wölbt durch einen Druck auf deren Vorderfläche die Linse nach beiden Seiten stärker rc. Zuletzt hat ein Versuch das Richtige finden lassen: „Wenn die Flamme einer Wachskerze etwas auf einer Seite und nahe vor das gesunde Auge (dessen Pupille man erweiterte) einer Person gehalten wird und man nun von einem ge eigneten Punkte dieser Person ins Auge blickt, so sieht man drei Bilder von der Flamme, zwei aufrecht und eins verkehrt. Das eine aufrechte Bild wird von der Vorderseite der Hornhaut zurückgeworfen, die wie ein konvexer Spiegel wirkt; das zweite rührt von der ebenso wirkenden vorderen Fläche der Kristalllinse her, während das verkehrte Bild von der Hinteren nach vorn konkaven Fläche der Linse hervorgebracht wird. Wird nun während dieser Beobachtung das Auge auf einen entfernteren und dann auf einen näheren, in derselben Gesichtslinie liegenden Gegenstand gerichtet (während die Stellung des Augapfels sich nicht ändert), so bleibt das von der Vorderfläche der Hornhaut zurückgeworfene aufrechte Bild und das verkehrte von der Rückseite der Linse unverändert, aber das von der Vorder seite der Linse entworfene Bild verändert sich sowohl in der Größe als auch in seiner Lage in einer Weise, die beweist, daß die Vorderfläche der Linse stärker konvex geworden ist." Daraus ergiebt sich: Auch ein gesundes Auge sieht im Ruhe zustände nur auf eine gewisse Entfernung deutlich, und zwar ist es für die Weite eingerichtet. Nur von weiter entfernten Gegenständen werden die Strahlen so vereinigt, daß sie ein klares Bild auf der