150 6. Pflanzenkunde. angebaut und verbreitete sich bis nach Peru und Neugranada. Von hier aus kam sie schon vor 1585 (wahrscheinlich zwischen 1560—70) durch die Spanier nach Europa (Spanien, Italien, 1588 schon bis Belgien). 1587 zog sie ein Breslauer Arzt Namens Scholz in seinem Garten, und der Botaniker Clusius pflanzte sie 1588 zuerst in Wien (er hatte zwei Knollen aus Belgien erhalten) und beschrieb sie unter dem Namen Vaxas ksruanürum. Schon im Jahre 1595 hatte der päpst liche Gesandte in Amsterdam Kartoffeln als amerikanische Seltenheit ausgestellt. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden sie auch in der von Walter Raleigh gegründeten Kolonie Virginien (Nordamerika) eingebürgert. Man nannte sie Openauk. Von hier aus brachten sie die Engländer während der Reisen Raleighs, also jedenfalls etlvas später als die Spanier, nach Europa (Irland und England). Thomas Herriott, Raleighs Gefährte, führte sie im Jahre 1585 oder 1586 in Irland ein. Nach seiner noch erhaltenen Beschreibung der Pflanze ist es die Kartoffel und nicht die Batate, die oft mit ihr verwechselt worden ist, welche Verwechselung viele Verwirrung in die Verbreitungsgeschichte der Kartoffel brachte. Auf dieser Verwechselung beruht auch die Annahme, daß der Sklaven händler John Hawkins sie 1565 als Schiffsproviant mit nach Irland gebracht habe. Unter anderen erhielt sie auch der Botaniker John Gerard aus Virginien und baute sie 1597 in seinem Garten zu London an, bildete sie auch in einer noch jetzt erhaltenen Abbildung ab. Aber erst gegen Mitte des 18. Jahrhunderts wurde sie in England allgemeiner angebaut. Also ist sie zuerst durch die Spanier aus Südamerika und dann etwas später durch die Engländer aus Virginien nach Europa gekommen. Der Botaniker Bauhin gab der Pflanze um 1590 den Namen Lolänum tuberosum sseulentuiu. In Italien erhielten sie wegen der unterirdischen Knollen den Namen Taratuf- foli, Turtoffoli, aus dem dann Tartuffeln und zuletzt unser deutscher Name Kar toffeln entstanden ist. Wenn auch durch Clusius' Bemühungen die Kartoffeln sich in den botanischen Gärten immer mehr verbreiteten, so hatte doch ihr Anbau auf dem Festlande von Europa bis gegen das Ende des 17. Jahrhunderts keine son derlichen Fortschritte gemacht. 1676 wurden sie an der königlichen Tafel in Paris als Seltenheit gegessen. In Frankreich baute sie 1783 zuerst der Apotheker des Jnvalidenhauses, Parmentier, auf einem ihm von Ludwig XVI. in der Ebene von Sablons überlassenen 50 Morgen großen Grundstücke im großen an. Das Volk wollte jedoch nicht von dem in Frankreich üblichen „Gemüse und Brot" lassen und mochte nichts von dem Anbaue der neuen Frucht wissen (List: Androhung harter Strafen bei Entwendung, Wächter des Tages; des Nachts stehlen dann die Bauern!). Die Hungersnot im Jahre 1793 zeigte dann dem Volke den Nutzen der Kartoffel. In Italien ist der Anbau der Kartoffel, trotzdem die Mißernte des Jahres 1817 ihn etwas förderte, nicht allgemein geworden. In der Ebene hat sie der Mais wieder verdrängt, und der Italiener geht nicht von seiner Polenta aus Maismehl ab; auch mögen Klima und Boden ihr nicht recht günstig sein. In Deutschland und Mitteleuropa ist sie trotz der Bemühungen und Zwangs maßregeln Friedrichs des Großen und seines Vaters erst nach den Hungerjahren 1771 und 72 richtig gewürdigt und dann allgemein angebaut worden. Nach Sachsen brachte sie der Generallieutenant von Mittkau im Jahre 1717 aus dem brabantischen Kriege und daselbst nach Schlettau der Oberförster von Beulwitz (1715—25). 1730 wurde sie zuerst in der Wolkensteiner Gegend und 1734 bei Grimma angepflanzt. Die Deutschen und Slaven hielten vorher an Mehlspeisen und Hülsenfrüchten fest. Jetzt findet man sie in den Alpen bis zur Höhe von 1100, ja 1500 m angebaut. In Deutschland ist etwa 10"/„ des gesamten Acker landes (3 Mill, da) damit bepflanzt, und Ulan erntet durchschnittlich jährlich 20 Mill. Tonnen. Seit etwa einem Jahrhundert ist die Kartoffel von Europa aus nach dem Süden (in Griechenland überreichte man der Gemahlin König Ottos bei ihrem Einzuge einen Strauß Kartoffelblüten als eine in ihrem Heimatlande sicher unbekannte Seltenheit!), nach Asien bis über das Himalayagebirge nach Ceylon, Indien und Australien, wo sie besonders in Viktoria, Neuseeland und