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84 Scherze und aufheiternde Behandlungsarten zu erleichtern; wir machen ziemlich rasche Fortschritte und ich hoffe, sie bis zu Ausgang des Winters ziemlich weit geführt zu haben. Sie find aber auch außerordentlich auf merksam und fleißig, i) Die liebe Emilie ist gestern wieder von Lausanne zurückgekommen. Die Igfr. Rasthofer bleibt noch s-s Tage aus, was den l. Töchtern sehr unangenehm ist. . . . Mittwochs den November. . . . Der liebe Burkhard ist heute von seiner kleinen Reise wieder zurückgekommen. Er war längere Zeit auch bei der Igf. Rasthofer, die bei ihrer Traubenkur sich recht wohl fühlt. Wir haben jetzt wieder sehr schöne Herbsttage, die mich so manchesmal auch zu einer kleinen Reise einladen — doch diese Freuden alle bleiben bis künftiges Jahr ver schoben. Sontags den 8* November. Gestern, meine theure Renate, war ich sehr wenig aufgelegt, eine predigt zu machen; es giebt Stimmungen, wo Geist und Gemüth gleich sam leer und abgestumpft sind und nichts zu schaffen fähig. Meine Sorge um Dich trug in diesen Tagen nicht wenig zu dieser Mißstimmung bei; immer schwebtest Du mir vor und ich konnte den Gedanken nicht los werden, es sei Dir ein Unglück begegnet, da es bald H Wochen sind, seit ich den letzten Brief von Dir empfing. Heute morgen ließ ich mich indeß um 2 Uhr wecken; meine Stimmung war günstiger, allmählig kam ich in Feuer und innere Gluth und schon um 9 Uhr war meine ganze predigt fertig. Sie war über den Text Job. 2s v. 7. „wer überwindet, der wird alles ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein!" Die Beharrlichkeit und Ausdauer im Guten machte ich zum Gegenstand meiner Betrachtung. Im Eingänge zeigte ich, wie die Menschen zwar leicht im Innern angeregt werden, so oft gute Entschlüße fassen, wie jedes Leben Augenblicke hat, wo das Herz edler und höher schlägt —, wie aber so selten die Tugend der Beharrlichkeit und Treue gegen sich selbst sei. Das gute, weiche Herz ist ein freies Geschenk Gottes, aber die Ausdauer und Beständigkeit im Guten ist unser Werk, unser Verdienst. Weil aber die Treue gegen uns selbst so selten ist, finden wir auch so wenig Befrie digung. Es ist das Loos von tausend Menschen, immer wieder anzu sangen, endlich verlernen sie das Vertrauen zu sich selbst und kommen in die peinlichste Lage. Es mangelt ihnen das höchste Selbstgefühl, das der Rraft und Treue gegen sich selbst. Als ich darauf den Tharakter eines Beharrlichen, Ausdauernden und dann im Gegensätze auch den eines wankelmütigen und schwachen Menschen geschildert hatte, sprach ich von den großen Segnungen der Treue gegen uns selbst. Sie erhöht unsere Rräfte, giebt uns stete innere Zufriedenheit, läßt uns ein immer höheres, würdigeres Ziel erreichen, läßt uns segnend wirken für unsre Mitbrüder, da alles Große und Herrliche nur durch Ausdauer und Beharrlichkeit er kämpft wird. Durch sie kommen wir endlich der Enthüllung und Gffen- >) Auf diese Stunden kommt Blochmann noch öfter zurück; im Winter sitzen sie im engen Kreise, Fräulein Kasthvfer mitten unter ihnen, um den Ofen; auch nennt Blochmann alle Töchter auf ihr Begehren mit dem Vornamen.